Herzen im Feuer
London zurückkehrst. Diese Amerikaner mit ihrer Gleichma- cherei haben dich schon ganz verwirrt«, erklärte er ihr mitleidig.
Mara betrachtete betreten ihre Fingernägel. Brendans ätzende Ant- wort traf sie ins Mark. Sie wußte nichts darauf zu erwidern.
»Schwesterlein, ich kenne dich doch«, fuhr Brendan fort, da er merkte, daß er sie verletzt hatte, »nach zwei Wochen würdest du dich langweilen, weil du in keinem feinen Restaurant mehr warst, auf keinen Ball gehen konntest und -« Er hielt inne, als jemand an die Tür klopfte. Mara schaute ihn an. »Erwartest du Besuch?«
»Nicht daß ich wüßte. Allerdings warten meine Freundinnen nicht immer erst eine Einladung ab, wenn sie unsere Bekanntschaft vertiefen wollen«, erklärte Brendan amüsiert und erhob sich.
Mara blätterte in einer Zeitschrift, die auf dem Tisch lag, als sie Stimmen hörte und Brendan rückwärts durch die Tür wieder herein- kommen sah, gefolgt von einer Besucherin.
Aus der Nähe betrachtet, hatte sich Molly O'Flynn sehr verändert, seit Mara sie das letzte Mal gesehen hatte. Mara schüttelte den Kopf und fragte sich verwundert, wie sie dieses grobschlächtige Weib jemals hatte vergöttern können. Molly trug ein grellrotes Taftkleid mit schwarzen Bändern und künstlichen Blumenarrangements. Das Dekollete war für die Tageszeit viel zu gewagt, und über ihren nackten Schultern lag eine Pelzstola. Eine Hand steckte tief in einem Pelzmuff, in der anderen hielt sie einen zierlichen Sonnenschirm aus rotem Taft, den sie wie einen Kreisel herumwirbelte.
»Sieh mal, wer uns besuchen kommt, Schwesterherz«, empfing Brendan sie ohne jede Wärme. »Die lang vermißte, fast vergessene Molly.«
»Nie um Worte verlegen, nicht wahr, Brendan?« gab Molly giftig zurück. Dann fiel ihr wieder ein, weshalb sie hergekommen war, und sie lächelte süß.
»Was willst du?« fragte Brendan sie geradeheraus. Er lud sie demon- strativ nicht ein, sich zu setzen. Statt dessen ließ er sich in einen Sessel fallen und griff mit ungeduldiger Miene nach einer Zeitung. »Nun?«
Molly, die von der falschen Vorstellung ausging, daß Brendan sie immer noch liebte, blickte aus dem Augenwinkel auf ihn herab und lächelte verführerisch. »Brendan, Liebling, hast du mir nach all den Jahren nicht mehr zu sagen? Ich habe dich schrecklich vermißt. Das mußt du mir glauben.« Sie begann zu weinen, ließ sich pathetisch vor ihm auf die Knie fallen und umschlang seine Beine mit beiden Armen. Flehend schaute sie zu ihm auf.
Mara sah ihr fassungslos zu. Wenn Mollys plötzlicher Auftritt sie nicht so erschreckt hätte, hätte sie laut losgelacht. Molly war schon immer eine miserable Schauspielerin gewesen.
»Ich war so jung und dumm. Ich wußte nicht, was ich tat, bis ich London verlassen hatte. Mein armer Ehemann mußte unser süßes Baby erziehen, ohne daß ihm die Mutter zur Seite gestanden hätte. O Brendan, wie dumm war ich doch«, jammerte Molly mit bebender Stimme. In ihren Augen glänzten Tränen. Sie zog geziert ein Taschen- tuch aus ihrem Mieder und tupfte sich die trockenen Wangen. »Ich bin zurückgekehrt und habe nach dir gesucht, aber du hattest London
schon verlassen, und ich wußte nicht, wohin du gegangen warst. Ich hatte kaum genug Geld zum Leben und keinesfalls genug, um dir quer durch Europa zu folgen.«
Molly senkte reuig ihr Haupt und fummelte nervös an ihrem Ta- schentuch, während sie auf eine Reaktion wartete. Als niemand etwas sagte, fühlte sie sich genötigt, noch dicker aufzutragen. Sie schluchzte innig. »O Brendan, als ich dein liebes Gesicht sah, wußte ich, was mir all die Jahre gefehlt hatte. Ich wußte, daß unsere Liebe nicht gestorben war, daß sie niemals sterben kann. Brendan, ich war so allein, so schrecklich einsam ohne dich, mein Geliebter. Doch endlich hat uns das Schicksal wieder zusammengeführt«, seufzte Molly hoffnungsvoll und wagte einen Blick unter der Krempe ihres Seidenhuts hervor.
Das zarte Taschentuch teilte sich mit einem lauten Reißen in zwei Hälften, als sie Brendans amüsierte Miene sah.
»Versuch's doch noch mal, Molly«, bot ihr Brendan kaltherzig an. Er entzündete eine Zigarre und blies ihr die Rauchwolke mitten ins Ge- sicht.
Mara atmete auf. Einen Augenblick lang hatte sie befürchtet, Brendan könnte Mollys Lügen Glauben schenken und sie wieder auf- nehmen, aber Brendan hatte sich ein für allemal von ihr befreit.
Als Molly die Heiterkeit in Brendans Stimme hörte, versetzte ihr das einen Stich.
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