Herzen im Feuer
rechnen, daß sie einen Skandal inszenierte, denn nur so konnte sie die O'Flynns treffen.
Brendan schien sich keine Sorgen zu machen und amüsierte sich weiterhin nächtelang. Mara gewann fast den Eindruck, er wollte Molly zeigen, was sie verloren hatte, denn er wurde noch freigiebiger als zuvor. Mara begann sich schließlich zu fragen, wie lang ihr Geld noch reichen würde, wenn Brendan weiterhin so verschwenderisch lebte. Aber sie machte sich keine tieferen Sorgen, denn Brendan hatte ihr oft genug versichert, daß in der Sierra noch genug Gold auf ihn wartete.
Klagt mir nicht, trauernde Gestalten, das Leben sei ein eitler Traum,
die Seele sei erloschen,
und was wir sehen, sei die Wahrheit kaum. Das Leben ist nicht leer, nicht Wahn und das Grab nicht Ziel hinieden,
»Staub bist du. Staub sollst du werden«, ward unsrer Seele nicht beschieden.
LONGFELLOW
Kapitel 9
»Wachen Sie auf, Mara! Wachen Sie auf!« flüsterte eine Stimme. Mara grub ihr Gesicht noch tiefer in die Kissen und zog sich die Decke über den Kopf, um die Stimme und die Kälte im Raum nicht wahrnehmen zu müssen.
»Laß mich in Ruhe!« murmelte Mara schläfrig, aber eine Hand rüttelte unbarmherzig an ihrer Schulter. Endlich setzte sie sich im Bett auf, um sich ihrem Folterknecht zu stellen. »Was zum Teufel soll das?« fragte sie unwillig.
»Mara, unten ist jemand, der Sie sprechen will«, erklärte ihr Jenny eindringlich. »Ich glaube, es ist wichtig. Sie sollten lieber mit ihr spre- chen.«
»Ihr?« fragte Mara schlaftrunken und erhob sich mühsam. Inzwi- schen hatte Jenny die Öllampe entzündet, deren mattes Licht den Raum erhellte. Mara zog sich den Morgenmantel über das Nachthemd, das zu tragen sie sich in diesem feuchten Klima angewöhnt hatte. Dann folgte sie Jenny die Treppe hinab.
In der Eingangshalle erwartete sie eine vermummte Gestalt, doch obwohl lediglich ein paar blonde Locken unter der weiten Kapuze hervorlugten, wußte Mara, daß sie die Frau nicht kannte.
Als sie die Schritte hörte, sah die Besucherin erleichtert auf und trat an den Treppenabsatz, wobei sie sich nervös die von der Kälte geröteten Hände rieb. »Sind Sie Mara O'Flynn?« fragte sie ungeduldig.
Mara musterte sie kritisch und fragte sich, was in aller Welt die Frau um diese Zeit wohl von ihr wollte. »Ja. Wer sind Sie? Was wollen Sie?«
»Er hat mich geschickt«, erklärte die Frau außer Atem.
»Wer?« fragte Mara und sah Jenny befremdet an.
»Brendan O'Flynn ist doch Ihr Bruder, oder nicht?« erkundigte sich die Besucherin. »Er ist krank, sehr krank sogar, schätze ich. Er war gar nicht er selbst heute abend. Er hat einen Haufen Geld gewon- nen, aber es schien ihn überhaupt nicht zu kümmern. Und als wir wieder im Hotel waren, sagte er nur: >Hol Mara. Ich muß sie sehen. Der Teufel soll dich holen, wenn du das nicht für mich tust.<«
Mara erbleichte. Sie glaubte der Frau, und jetzt wandte sie sich an Jenny. »Ich muß hin. Können Sie sich um Paddy kümmern? Ich werde Jamie brauchen.«
»Natürlich. Und wenn ich sonst noch etwas tun kann, dann lassen Sie es mich ruhig wissen«, bot ihr Jenny an.
»Gut, dann kann ich ja gehen«, sagte die seltsame Frau.
»Vielen Dank. Wenn Sie noch einen Augenblick warten, werde ich Sie für Ihre Mühe entlohnen«, erklärte Mara. Sie hatte das Gefühl, der jungen Frau etwas schuldig zu sein, weil sie Brendans Bitte erfüllt hatte.
»Das ist nicht nötig«, antwortete diese schniefend. »Ich hab's für einen Freund getan. Außerdem hat er mich schon bezahlt. Er ist ein echter Gentleman. Hoffentlich erholt er sich bald wieder. Gute Nacht.«
Mara weckte Jamie und zog sich in Windeseile an. Zusammen mach- ten sie sich auf den Weg zu Brendans Hotel.
Ungehindert kamen sie durch die Lobby, wo nur ein paar Nacht- schwärmer herum hingen. Der Portier schlief hinter seinem Pult, den Kneifer verwegen schief auf der Nase.
»Master Brendan hat endlich einmal Verstand bewiesen, als er sich dieses Hotel ausgesucht hat«, flüsterte Jamie, als sie leise über den Gang zu Brendans Tür gingen.
»Brendan hatte schon immer Geschmack«, antwortete Mara abwe- send. »Und jetzt kann er ihn sich endlich leisten.«
Mara klopfte leise an die Tür zu Brendans Suite. Sie wartete einen Augenblick, doch nichts rührte sich. Leise betraten Jamie und sie den Raum.
Wandleuchter mit rosa Schirmen warfen warmes Licht über die eleganten Möbel und weichen Teppiche. Außer dem Ticken der Uhr auf einer Anrichte war nichts zu hören.
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