Herzen im Feuer
ein paar Silberdollar aus ihrer Börse, packte die sehnige Hand des Mäd- chens und legte das Geld hinein. Dann eilte sie wieder zum Fenster, während das Mädchen gebannt auf das kleine Vermögen starrte, das sie plötzlich besaß.
Mara hatte bereits einen Fuß auf das Fensterbrett gesetzt, als eine zittrige Stimme sie innehalten ließ.
»Es gibt auch eine Hintertreppe, Madam«, erklärte ihr Ellen und kam hinter dem Stuhl hervor. Sie zeigte auf eine kleine Tür, die vollkommen von einem schweren Vorhang verdeckt wurde.
Mara lief hinüber, schob den Vorhang beiseite und öffnete die Tür zur Treppe. »Danke«, sagte sie ruhig, aber so aufrichtig wie nie zuvor. Dann verschwand sie.
»Sie geht nicht auf«, erklärte Jacques und rüttelte an der Tür, hinter der Mara verschwunden war. »Wir müssen sie aufbrechen.«
»Na, mach schon. Wenn ich erst an Brendans Kröten gekommen bin, kann ich mir tausend Türen kaufen«, spornte Molly ihn an.
Jacques holte tief Luft und trat mit dem Fuß gegen die Tür. Krachend gab das Schloß nach, und er stürmte, gefolgt von dem Grafen, in das leere Zimmer.
»Sie muß durchs Fenster geflohen sein«, mutmaßte der Graf ent- täuscht. Er war überzeugt, sein Opfer verloren zu haben, als er das Fenster offenstehen sah.
»Macht nichts«, tröstete Molly ihn von der Tür her. Ihr Zorn ver-
wandelte sich in kalten Haß, als sie fortfuhr: »Wir werden uns später mit Mara O’Flynn beschäftigen. Ich komme schon noch zu meinem Vermögen.«
Mara erreichte ohne weiteren Zwischenfall die Pension. Atemlos trat sie ein und warf die Tür hinter sich ins Schloß. Sie stand immer noch an die Tür gelehnt da, als Jenny in die Eingangshalle kam, um sie zu begrüßen. Kaum hatte sie ihre Freundin zu Gesicht bekommen, erstarb ihr Lächeln.
»Was ist Ihnen passiert? Ist alles in Ordnung?« Jenny nahm Maras Arm, zog sie von der Tür fort und führte sie in den Salon. Dort drückte sie die zitternde Frau in einen Sessel.
»Was im Himmel ist denn geschehen?« fragte Jenny noch einmal, als Mara wieder zu Atem gekommen war.
Mara versuchte angestrengt, ihre Gedanken zu ordnen. »Leider hat mir Brendan längst nicht so viel hinterlassen, wie ich dachte. Es reicht genau für die Überfahrt nach Europa«, erklärte sie besorgt. »Ich muß so schnell wie möglich zu einer Reederei und Plätze auf dem nächsten Schiff nach England buchen.«
»Sie wollen San Francisco verlassen? Aber warum, Mara? Sie können auch hier eine Arbeit finden, oder etwa nicht? Warum sollte es in London oder Paris besser sein? Sie können hier zusammen mit Paddy ein neues Leben beginnen, Mara. Warum versuchen Sie es nicht wenig- stens?«
Mara schüttelte den Kopf. »Ich komme hier nicht auf die Füße. Merkwürdig - das gleiche hat Brendan auch immer gesagt. Er wollte, daß wir hier ein neues Leben beginnen und daß die Vergangenheit nicht mehr zählen sollte.« Sie lächelte traurig. »Er hat sich geirrt. Die Vergan- genheit hat uns eingeholt. Molly will Brendans Vermögen, und sie wollte mir nicht glauben, daß er kaum etwas hinterlassen hat. Sie wird mich nicht in Ruhe lassen, bis sie alles hat, was sie will. Deshalb muß ich fort, Jenny. Aber es wird mir schwerfallen, mich von Ihnen zu trennen. Sie waren die erste wirkliche Freundin, die ich je gehabt habe.«
Jenny sah Mara hinterher, nachdem sie aus dem Raum gegangen war, und mit Schrecken wurde ihr klar, daß sie Mara O’Flynn wahrschein- lich nie wiedersehen würde. Denn es gab keinen Grund für die schöne Irin, jemals nach San Francisco zurückzukehren - dort warteten nur traurige Erinnerungen auf sie.
Nicholas kaufte sich an der Ecke Zeitungen aus San Francisco und New Orleans. Ohne seine Umgebung auch nur eines Blickes zu würdigen, eilte er zu dem Restaurant in der Dupont Street, wo er mit dem Schweden zum Essen verabredet war. Während er wartete, blätterte er in den Zeitungen. Er hatte bereits ein Glas Wein getrunken, als er sich der Zeitung aus New Orleans widmete.
Sein Glas war gefüllt worden und immer noch voll, als der Schwede sich am Tisch niederließ und Nicholas neugierig musterte, der immer noch in die Zeitung vertieft war.
»Steht etwas Interessantes drin?« fragte der Schwede und bestellte sich einen Whiskey. Dann bemerkte er, daß die Zeitung aus New Orleans war, und sagte: »Eine Zeitung aus der alten Heimat? Ist der Missouri wieder über die Ufer getreten?«
»Ich habe sie aus Neugier gekauft«, antwortete Nicholas ruhig. »Ich werde so
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