Herzen im Feuer
bald wie möglich nach New Orleans zurückkehren.«
Dem Schweden blieb der Mund offenstehen. »Du willst nach Hause? Du hast doch geschworen, nie wieder deinen Fuß in diese Stadt zu setzen. Was ist denn passiert?«
»Ich habe einen Brief von meinem Vater erhalten, den mir Denise von London aus nachgesandt hat. Meine Familie hat keine Ahnung, wo ich mich aufhalte«, erklärte Nicholas trocken. »In fünfzehn Jahren kommt man ganz schön herum.«
Der Schwede schüttelte seinen blonden Lockenkopf und schaute ihn erstaunt an. »Dein Vater hat dir geschrieben?«
Nicholas rang sich ein Lächeln ab. »Kaum zu glauben, was?«
»Nachdem er dich quasi aus New Orleans gejagt hat, ja? Aber wahrscheinlich heilt die Zeit alle Wunden«, sagte der Schwede, der noch nie verstanden hatte, wie man einen Menschen so hassen konnte, vor allem, wenn es sich um den eigenen Sohn handelte.
»Hier hat die Zeit nichts geheilt«, korrigierte ihn Nicholas und zog einen Umschlag aus der Rocktasche. »Nur die Wahrheit. Sein Stolz und sein Ehrgefühl gestatten es ihm nicht, falsch über mich zu urteilen. Also hat er sich überwunden und mir geschrieben.« Er reichte den Brief seinem Freund.
Der Schwede knallte sein Glas auf den Tisch. »Heißt das, er glaubt dir endlich?«
»Ja«, antwortete Nicholas knapp.
Der Schwede öffnete den Brief und begann zu lesen.
11. September 1850
Mein lieber Sohn Nicholas,
ich habe Dir schweres Unrecht zugefügt. Vor kurzem habe ich die Wahrheit darüber erfahren, welche Umstände zu François' Tod führten. Dir diesen Brief zu schreiben, schmerzt und erfreut mich gleichermaßen, denn jetzt, da ich die Wahrheit weiß, muß ich erkennen, was für ein törichter alter Mann ich war, als ich meinen geliebten Sohn verstieß. Ich kann Dich nur bitten, mir zu verge- ben. Wirst Du nach Hause zurückkehren und Deinen Platz als rechtmäßiger Erbe von Beaumarais einnehmen? Ich werde mein Testament zu Deinen Gunsten abändern, und für den Fall, daß mir vor Deiner Rückkehr etwas zustoßen sollte, habe ich alles in meinem Tagebuch notiert. Dort wirst Du die volle Wahrheit erfahren. Ich bitte Dich um Vergebung und hoffe auf Deine Rückkehr.
Dein Dich liebender und reuiger Vater François Philippe de Montaigne-Chantale
»Wenn ich es nicht mit meinen eigenen Augen sehen würde«, kommen- tierte der Schwede, als er Nicholas den Brief zurückgab, »hielte ich es nicht für möglich. Ich frage mich, warum er seine Meinung so geändert hat.«
»Ich weiß es nicht, aber du wirst verstehen, daß ich nach all den Jahren endlich erfahren möchte, wer François umgebracht und mir den Mord angehängt hat. Deshalb werde ich nach New Orleans zurückge- hen«, erklärte ihm Nicholas. Seine Lippen bildeten eine dünne Linie, und er starrte nachdenklich auf den Brief.
»Soll ich mitkommen?« fragte der Schwede offen.
Nicholas schaute ihn eine Sekunde lang versonnen an, bevor er antwortete: »Das hängt von dir ab, Schwede. Vielleicht möchtest du San Francisco nicht verlassen. Vielleicht willst du ja weiter nach Gold suchen?« fragte er vorsichtig.
Der Schwede schüttelte das blonde Haupt. »Nein. Eigentlich wollte ich mich in ein Geschäft einkaufen, vielleicht ein Restaurant oder ein
kleines Hotel«, gestand er mit breitem Grinsen. »Solide werden, könnte man sagen.«
Nicholas nickte und lächelte ironisch, als er wie nebenbei fragte: »Du willst dich also in San Francisco niederlassen?«
»Ich habe tatsächlich daran gedacht«, antwortete der Schwede aus- weichend. »San Francisco ist einfach meine Art von Stadt. Hier gibt es genug Whiskey und Frauen für einen Mann wie mich. Und nachdem ich jetzt Kapital habe, möchte ich beim Aufbau mithelfen. Ich glaube, es könnte ein schöner Ort werden, wenn die richtigen Leute Hand anlegen.«
»Bist du sicher, daß du nicht nur wegen einer Frau hierbleibst?« fragte Nicholas unvermittelt. »Wegen einer scharfzüngigen Irin, die es mehr auf das Geld in deinen Taschen als auf dich abgesehen hat?«
Der Schwede ballte die riesigen Fäuste. »Weißt du, Nicholas, wenn du nicht mein bester Freund wärst, würdest du in diesem Augenblick auf dem Boden liegen und deine Zähne zusammensuchen können. Aber nachdem ich dich so gut kenne, verzeihe ich dir deine kurzsich- tige, ungerechte und einfach dumme Haltung Mara O’Flynn gegen- über.«
Nicholas lachte humorlos. »Meine Güte. Sie hat dich wirklich ver- hext. Wann soll die Hochzeit stattfinden?«
Der Schwede starrte seinen Freund
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