Herzen im Feuer
bevölkerte Straße holperten, schaute sich Nicholas neugierig um. »Anscheinend hat sich eine Menge verändert, seit ich fortgegangen bin«, befand er dann. Auf der einen Seite der Avenue erkannte er die schmalen Straßen und die mit pastellfarbenem Stuck verzierten Häuser des Vieux Carré. Auf der anderen Seite stan- den jedoch ausladende Herrenhäuser in weitläufigen Gärten voller tropischer Pflanzen und bunt blühender Büsche.
»Die Stadt ist jedenfalls gewachsen, seit ich zum letztenmal hier war«, bemerkte Nicholas so laut, daß es der Kutscher hörte. Weil er
nicht unaufmerksam erscheinen wollte und einem kleinen Plausch nicht abgeneigt war, antwortete jener: »Ja, Sir, da steckt eine Menge Geld im Garden District. Riesige Häuser. Wollen Sie durchfahren?« fragte er, wobei er sich nicht anmerken ließ, wie erfreut er über die Aussicht auf weitere Einnahmen war.
»Warum nicht?« bestätigte Nicholas. Er schaute Mara an, die zu- stimmend nickte.
Sie fuhren durch breite, baumbestandene Straßen, an denen sich riesige Herrenhäuser mit Erkern, Rokoko-Stuck und Bleiglasfenstern hinzogen. Ihre Gärten glichen eher kleinen Parks, in denen Magnolien, Eichen und Palmen wuchsen. Die sorgfältig angelegten Rabatten waren voller Rosen, Kamelien und Jasmin.
Wo sich einst nichts als Sumpf befunden hatte, stand jetzt eine kleine Stadt mit Theatern, Hotels, Kirchen und Priva Trèsidenzen.
»Das ist der Lafayette Square«, erklärte ihnen der Kutscher, »und das da drüben das Rathaus.«
»Du erkennst es nicht einmal mehr, nicht wahr?« fragte Mara, die Nicholas' Überraschung und Enttäuschung bemerkte. Schweigend fuhren sie im Vieux Carré weiter. Mara hörte die Straßennamen - Bourbon, CharTrès, Dumaine und Royal -, während sie durch die schmalen Straßen mit den altmodischen Häuschen fuhren, deren Bal- kone mit schmiedeeisernen Gittern verziert waren.
Mara hörte Nicholas tief Luft holen, als sie auf einen hübschen Platz einbogen, der von einer Kathedrale mit drei Türmen überragt wurde. Im Zentrum des Platzes thronte inmitten von Blumenrabatten und Spazierwegen ein Reiterstandbild. Flankiert wurde das Ensemble von zwei identischen Backsteinhäusern mit ausgefeilten schmiedeeisernen Gittern.
»Was für ein schöner Platz«, bemerkte Mara wohlgefällig, als sie vorbeifuhren. Er erinnerte sie an die kleinen Parks in London.
»Der Place d'Armes. Ich weiß nicht, warum ich so überrascht bin, daß er sich ebenfalls gehörig verändert hat«, sagte Nicholas.
»Tut mir leid, Sir«, verbesserte ihn der Kutscher respektvoll. »Er heißt jetzt Jackson Square. Das ist die Statue des alten Generals persön- lich.«
»Zum Glück habe ich einen Führer angeheuert«, ergänzte Nicholas trocken. »Ich hätte nie gedacht, daß ich einmal ein Fremder in meiner Geburtsstadt sein könnte. Wenigstens hat man die Saint-Louis-Kathe-
drale, das Cabildo und das Presbyterium nicht abgerissen«, kommen- tierte Nicholas und deutete auf die Gebäude, die sich an die Kathedrale anschlossen.
»Die Baronesse hat das alles veranlaßt. Und es ist erst vor kurzem fertig geworden«, erläuterte ihnen der Kutscher. »Die Baronesse de Pontalba, so hieß sie.«
»Und warum hat sie den Platz neu aufbauen lassen?« erkundigte sich Nicholas neugierig.
»Na ja.« Der Kutscher überlegte sich die Antwort auf diese Frage sorgfältig. »Der Platz lag fast in Trümmern. Die meisten Anwohner hatten sich abgesetzt, und die Händler waren alle in die Canal Street umgezogen, weil dort die Geschäfte besser gingen. Ja, Sir, hier tummel- ten sich nur noch die Ratten. Dann kam die Baronesse, und heute ist der Square wieder einer der vornehmsten Plätze der Stadt.«
»Und wo ist die Baronesse?« fragte Mara und blickte sich aufmerk- sam um, in der Hoffnung, vielleicht einen Blick auf diese außerge- wöhnliche Frau erhaschen zu können.
»Sie ist zurück nach Frankreich, Madam. Das Saint-Louis-Hotel, Sir?« fragte der Kutscher, nachdem sie den Platz verlassen hatten.
Nicholas nickte. Seine Augen waren unter den dichten Wimpern versteckt, und er betrachtete mit undurchsichtiger Miene die Stadt, in der er nun ein Fremder war.
Das Saint-Louis-Hotel war, wie der Kutscher es gesagt hatte, eines der feinsten Hotels der Stadt. Nicholas trug sie ins Gästebuch ein, ohne den hochgezogenen Brauen des Portiers Beachtung zu schenken, der Monsieur de Montaigne-Chantale mit diensteifrigem Lächeln versi- cherte, daß ihre Zimmer die besten im ganzen Hotel
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