Herzen im Feuer
fürchtete sie sich vor der Verantwortung, die ihr diese Liebe auferlegte. Es war ein so zerbrechliches Gefühl, das durch ein einziges unvorsichti- ges Wort oder eine einzige Geste zerstört werden konnte.
Als Mara aufblickte, stand Jamie in der Tür und beobachtete sie mit verklärtem Blick. Ihr verhärmtes Gesicht hatte sich entspannt, als sie die Liebe zwischen Mara und Paddy sah. Dann erwiderte sie Maras Blick, schniefte laut und begann im Zimmer herumzufuhrwerken, so als könnte sie die melancholische Atmosphäre nicht ertragen.
Eine Stunde war vergangen, und Paddy schlummerte auf dem Sofa, als Mara es im Hotelzimmer endgültig nicht mehr aushielt. Ihre Unge- duld machte sie selbst nervös. Sie erklärte: »Ich ertrage es einfach nicht, hier eingesperrt zu sein. Ich gehe ein bißchen an die frische Luft.«
»Das wird auch Zeit. Sie machen mich ganz verrückt«, versetzte Jamie. »Gehen Sie bloß. Ich pass' schon auf Paddy auf.«
Mara warf einen Blick auf das schlafende Kind. »Ich glaube, er kriegt schon wieder einen Schnupfen. Vorhin hat er ein paarmal geniest«, vermutete Mara, während sie ihre Haube aufsetzte und einen bern-
steingelb und grün gemusterten Sonnenschirm mit langen Fransen aus dem Schirmständer nahm. »Ich bin spätestens in einer Stunde wieder da.«
Mara schloß die Tür hinter sich und schlenderte den Gang hinunter. Dann hörte sie Stimmen aus dem Foyer und blieb am Geländer der Galerie stehen, von wo aus man über die Rotunde blicken konnte, in der sich eine Menschenmenge drängelte. Eine marmorne Bar mit einem farbenfrohen Sortiment an alkoholischen Getränken erstreckte sich über die Hälfte der ebenfalls marmorgefliesten Rotunde. Eine stattliche Anzahl von Barkeepern tat dahinter Dienst. In der anderen Hälfte war ein Büffet mit Suppenterrinen, Platten voller belegter Brote, Hors- d'ceuvres und anderen Leckereien aufgebaut. Aber ein anderer Tisch zog Mara noch viel mehr in seinen Bann. Neugierig und verwirrt zugleich starrte sie auf die jungen schwarzen Frauen, die einfach, aber sauber gekleidet auf dem Tisch saßen, umgeben von lachenden und sich unterhaltenden Männern.
Die Negermädchen schienen sich sehr für das zu interessieren, was um sie herum vorging, und beobachteten schüchtern und ängstlich die Männer. Dann stieg ein Mann auf einen Stuhl, bat die Anwesenden um ihre Aufmerksamkeit und begann die jungen Mädchen zu versteigern. Das ist also eine Sklavenauktion, dachte Mara verwundert, während sie die Vorgänge verfolgte. Unangenehm berührt wandte sie sich ab. Einige Herren in ihrer Nähe musterten sie mit unverhohlenem Interesse.
Mara spazierte durch die Straßen, bis sie an einen großen Platz mit stuckverzierten Kolonnaden gelangte, wo sich Stände mit frischem Obst und Gemüse, Fleisch, Fisch und frisch gefangenen Krabben aus dem Golf und den Bayous aneinanderreihten. Mara spazierte über den farbenfrohen Markt und weiter an den bunten Häusern vorbei, deren Balkone mit Grünpflanzen und Blumen geschmückt waren. Doch langsam änderte sich die Gegend. Immer häufiger lag Müll auf dem Bürgersteig, und immer öfter mußte sie den Blicken abgerissener Kerle ausweichen, die am Straßenrand herumlungerten und sie abschätzend musterten.
Gerade als sie ein heruntergekommenes Gebäude passierte, kam ein Matrose aus der Eingangstür geflogen. Seine Mütze folgte ihm wenige Sekunden später, begleitet von einem Schwall unverständlicher franzö- sischer Worte, aber Mara brauchte kein Patois zu verstehen, um zu wissen, was hier vorging.
Eingeschüchtert eilte sie weiter. Plötzlich legte sich eine Hand auf ihre Schulter und drehte sie herum.
»Où allez-vous, ma petite Mademoiselle?« fragte ein specknackiger Mann mit zweideutigem Grinsen, während er sie gierig mit den Blicken verschlang.
Mara wehte sein übler Whiskeyatem an, und sie versuchte, sich aus seinem schmerzenden Griff zu lösen. »Bitte lassen Sie mich los, Mon- sieur«, bat sie verkrampft.
»Ah, vous êtes une americaine«, erklärte er, ohne sich um ihr abwei- sendes Verhalten zu scheren. »Combien?« fragte er kaltschnäuzig und fixierte mit seinen blutunterlaufenen Augen ihre Brüste.
»Mehr als du dir leisten kannst, mon ami«, erklärte eine kalte Stimme hinter Mara. »Außerdem ist sie bereits vergeben.«
Der liebestolle Franzose schaute mißbilligend hoch, aber als er der grünen Augen und des geringschätzigen Lächelns des Sprechers gewahr wurde, kam er zu dem Schluß, daß die schöne
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