Herzen im Feuer
»Nein, Señor, das Kind hat Probleme. Sie träumt zuviel. Ich glaube, ich werde sie bald in einen Konvent schicken müssen. Dort wird sie lernen, geduldig und demütig zu sein. Und das ist nötig, bevor sie das Gelübde ablegt.«
Mara schauderte, als sie Doña Ysidoras entschlossene Miene sah. Die arme Feliciana!
»Und wo haben Sie in England gelebt, Miss Vaughan?« riß Nicholas Chantales Stimme sie aus ihren Gedanken.
»Ich wuchs im Norden auf, Mister Chantale, in den wilden Hoch- mooren Yorkshires, in der Nähe von Haworth. Wahrscheinlich haben Sie nie von diesem Ort gehört, wahrscheinlich haben Sie sogar niemals die komfortable Stadt London verlassen«, antwortete Mara liebens- würdig. Dann kramte sie aus einem Roman von Charlotte Brontë ein paar Fakten über die Region zusammen. »Es ist ein trostloser Ort, wenn sich der graue Winterhimmel darüber wölbt, der Wind durch den Kamin pfeift und sich das weite Moor bis zum Horizont erstreckt. Aber Sie können sich gar nicht vorstellen, wie lieblich mir die weiten, grünen Hügel scheinen«, seufzte sie, und ihr Blick verklärte sich.
Brendan hüstelte warnend. Er lächelte ihre Gastgeberin an und be- dankte sich überschwenglich für das vorzügliche Frühstück. »Aber ich werde auf meine Figur achten müssen, wenn wir noch länger hierblei- ben, sonst bekomme ich meinen Rock bald nicht mehr zu. Entschuldi- gen Sie uns bitte. Wir müssen nach meinem Sohn sehen, er hat nämlich Fieber.«
Doña Ysidora nickte verständnisvoll und bot ihnen an: »Wenn Sie Hilfe oder Medizin benötigen sollten, stehe ich selbstverständlich zu Ihrer Verfügung. Aber Sie werden doch hoffentlich die Feier heute nachmittag nicht versäumen? Wir wollen einen Stierkampf organisie- ren.«
»Das würde ich mir um nichts in der Welt entgehen lassen«, versi- cherte ihr Brendan. Mit einem alle einschließenden Lächeln geleitete er Mara aus dem Raum und fort von dem neugierigen Franzosen.
»Das war verdammt dumm von dir, Schwesterherz«, warf Brendan Mara vor, als sie den sonnendurchfluteten Patio überquerten. »Der Franzose ist kein Narr. Du kannst die Kalifornier vielleicht hinters
Licht führen, aber diese grünen Augen durchschauen alles. Außerdem hat er für meinen Geschmack viel zu viele Fragen gestellt«, ergänzte er. »Er ist verdammt neugierig, wenn du mich fragst.«
Mara schaute Brendan belustigt an. »Du kannst mir vertrauen. Ich bin keine Närrin, mein Lieber.« Sie lachte leise. Ihre Augen wurden schmal, als sie neckend bemerkte: »Man könnte fast den Eindruck haben, du hättest Angst vor ihm. Ich kann es nicht fassen!«
»Noch lachst du, Schwesterherz, aber ich kenne diese Sorte Mensch.« Auf Brendans Stirn stand eine tiefe Sorgenfalte. »Ich habe schon mit Männern wie dem Franzosen am Spieltisch gesessen und zugesehen, wie sie tausend Pfund setzten, ohne mit der Wimper zu zucken. Durch ihre Adern muß Eiswasser fließen, denn jeder normale Mensch würde vor Aufregung sein Hemd durchschwitzen. Diese arro- ganten Bastarde nehmen sich immer, was sie wollen, und sie kümmern sich niemals um die Konsequenzen. Er ist ein Abenteurer, Schwester- herz, keiner von deinen schwächlichen, wohlerzogenen, höflichen Londoner Gentlemen. Mit so jemandem hast du es noch nie zu tun gehabt.«
Mara lächelte nur über seine Worte. »Du glaubst also, daß er mich zu einem Duell der Worte fordern könnte, mein lieber Brendan, und daß mein scharfer Witz nicht gegen ihn ankäme?«
»Ich glaube, daß unser Franzose dich in Windeseile wie ein Hühn- chen tranchiert hätte. Im Vergleich zu ihm bist du ein Schulmädchen.«
»Nur du wärst ihm wahrscheinlich gewachsen?« fragte Mara zucker- süß.
»O nein«, gestand ihr Brendan frei heraus. »Ich weiß, wann ich meinen Meister gefunden habe. Das heißt nicht, daß ich ihm ausgelie- fert wäre; aber ich würde anders mit ihm umgehen. Vor allem würde ich jede direkte Konfrontation meiden. Ich würde mich lieber dumm stel- len. Dann wird er vielleicht unvorsichtig. Du solltest meinen Rat beher- zigen und ihn in Ruhe lassen.«
Als Mara nicht reagierte, lachte er kurz und freudlos auf. »Ich weiß gar nicht, warum ich dir das sage, du hast noch nie auf mich gehört. Du bist zu arrogant, Mara, du kennst deine Fehler nicht und kannst dir nicht vorstellen, daß es Menschen gibt, die ebenso falsch und skrupellos sind wie du. Ich wäre gern dabei, Schwesterherz, wenn eines Tages jemand deinen Stolz besiegt.«
Mara zuckte nur wortlos mit den
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