Herzen in Flammen
in die Flucht zu schlagen, und auch Corliss wich einen Schritt zurück.
Er streckte die Hand aus und packte sie. »Nein, du wirst mir jetzt eine Erklärung geben. «
»Du tust mir weh, Royce!«
Wieder fluchte er, als Tränen in ihre Augen traten. Sofort ließ er ihr Handgelenk los. Sie war so zart wie ein Kind. Das war ihm bis jetzt nicht klar gewesen, doch nachdem er Kristen kennengelernt hatte, die ihm alles mit gleicher Münze zurückzahlte, sich nichts dabei dachte, ihre Kraft gegen ihn einzusetzen und sich zu wehren, und die noch kein einziges Mal aufgeschrien hatte, er täte ihr weh, stachelte Corliss mit ihren Tränen nur wieder seinen Abscheu vor allen diesen heulenden Frauen an.
»Hör auf zu heulen«, sagte er grob. »Ich kenne meine Kraft, und ich weiß, dass ich dir nicht wehgetan habe. Warum also weinst du?«
Ihre Tränen trockneten wie auf Befehl, doch sie sah ihn immer noch mit leidender Miene an. »Du wirst ausfallend!«
»Ich! Und als was bezeichnest du diese Schimpfworte, mit denen du das Wikingermädchen beleidigt hast?«
»Wieso beleidigt?« entgegnete sie barsch. »Ich habe doch nur die Wahrheit gesagt. Ihre Größe macht sie zu einem Ungetüm.«
»Sie ist nicht so groß wie ich, Corliss. Was also bin ich dann?«
»Du? Aber du bist doch ein Mann«, hob sie unnötigerweise hervor. »Bei dir ist es normal, dass du so groß bist. Aber sie ist größer als die meisten Männer. Und das ist abnorm. «
»Nicht die meisten Männer«, sagte er durch verkniffene Lippen. »Größer als die meisten Sachsen, das stimmt, aber hier sind sechzehn Wikinger, die gemeinsam mit ihr vor Anker gegangen sind, und jeder einzelne von ihnen ist größer als sie. Möchtest du sie dir vielleicht ansehen?«
»Du scherzt!« keuchte sie.
»Ja , ich scherze.« Er seufzte. »Es tut mir leid, Corliss. Ich bin reizbar, wenn ich müde bin, und ich bin völlig übermüdet. «
Sie ging nicht auf diesen Hinweis ein. »Aber was hattest du bei ihr zu suchen, Royce?«
Er biß die Zähne aufeinander, um nicht schon wieder lauthals zu fluchen. »Noch bist du nicht meine Frau und hast dich nicht in meine Angelegenheiten einzumischen.«
»Und wenn ich deine Frau bin?«
Gewissensbisse ließen ihn fauchen: »Dann wirst du es lernen, mir keine Fragen zu stellen. «
Corliss störte sich nicht an dieser Auffassung, denn sie unterschied sich nicht von der Einstellung der meisten Männer gegenüber Frauen; doch sein Tonfall behagte ihr nicht, und wieder traten Tränen in ihre Augen, weil sie ihm zeigen wollte, dass sie Grund zur Klage hatte. Royce, der Tränen haßte und grundsätzlich nicht darauf reagierte, es sei denn, im Zorn, wandte sich angewidert ab und ging, weil ihre neuerlichen Tränen ihm Schuldgefühl verursacht hatten.
32
Die Gefangenen bekamen ihr Essen an diesem Abend ungewöhnlich spät. Eda, die es gekocht hatte, und Edrea, die es sonst mit Ulands Hilfe zu den Gefangenen brachte, glaubten Kristen beide kein Wort, als sie ihnen sagte, heute sei es ihr gestattet, die Mahlzeit in die Hütte zu bringen. Eda ließ das Essen vorsichtshalber stehen bis sie sich bei Royce eine Bestätigung holen konnte.
Daher warteten sie, bis Royce aus seinem Zimmer kam, und er kam später als sonst. Er hatte den ganzen Nachmittag dort verbracht. Nachdem er Corliss in der Haustür hatte stehen lassen, hatte er sich sofort zurückgezogen. Kristen hatte ihn beobachtet, als er mit seiner Verlobten gesprochen hatte. Er war wütend gewesen. Corliss hatte geweint. Er hatte sie in seiner Wut einfach stehen lassen. Corliss' Tränen waren getrocknet, sowie Royce ihr den Rücken zugekehrt hatte, und ihr Ausdruck war erbost und keineswegs bekümmert gewesen.
Kristen hatte voller Abscheu den Kopf geschüttelt, als das Drama vorüber war. Sie besaß zuviel Stolz, um je zu solchen Listen zu greifen, aber sie wuss te, dass manche Frauen gerne die Macht ihrer Tränen ausspielten. Darrelle gehörte zu dieser Sorte von Frauen. Corliss offensichtlich auch, und fast hätte Kristen Royce bemitleidet, denn er würde es nie leicht haben, wenn er mit einer solchen Frau verheiratet war.
Kristen verbrachte diesen Nachmittag nicht wie den zuvor mit trübsinnigen Überlegungen. Ihre Zufriedenheit hielt an, und sie bemühte sich, die Ursache nicht zu ergründen. Das gelang ihr, weil sie jede Menge damit zu tun hatte, frisches Nu ss brot zu backen.
Eda hatte eine Scheibe von dem Brot probiert, das Kristen für sich und Meghan gebacken hatte, und es hatte ihr
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