Herzen in Flammen
fehlte, dass er sich jetzt nur langsam von seinen Ängsten erholte. Er suchte immer noch nach den blauen Flecken und Striemen, die nicht da waren, statt wie die anderen seine Freude darüber auszudrücken, dass er sie endlich wiedersah.
Er hob eine Hand und legte sie zögernd unter ihr Kinn. »Verzeih mir, Kristen. Der Sachse hat dich schon einmal ausgepeitscht. Ich war sicher ... «
» Dass er es wieder tut?« fiel sie ihm lächelnd in Wort. »Das dachte ich auch, aber er hat es nicht getan. «
»Wird er es vielleicht doch noch tun?« Er muss te diese Frage stellen.
Sie dachte einen Moment lang über die letzte Nacht nach. Royce war mit ihr schwimmen gegangen. Er hatte ihr eine Freude gemacht. Er hatte ihr erlaubt, hierherzukommen und ihre Freunde zu sehen, und auch damit hatte er ihr eine Freude gemacht. Er hatte sie unter den Sternen geliebt...
Voller Zuversicht schüttelte sie den Kopf. »Nein, er hat es schon vergessen.«
Jetzt lachte der Wikinger, warf den Kopf zurück und riss sie endlich doch in die Arme, als wolle er ihr alle Knochen brechen. »Bei Thor, das höre ich gern!«
»Was ist passiert, und was ist längst vergessen?« wollte Ohthere wissen.
Er und die Hälfte der anderen drängten sich um Kristen. Sie spielte mit dem Gedanken, ihnen eine Lüge vorzusetzen, denn sie konnten unmöglich wissen, worüber sie und Thorolf sprachen. Doch sie konnte sie nicht belügen. Es war allerdings nicht einfach, ihnen von ihrem Fluchtversuch zu erzählen und zu erklären, warum sie nicht dafür bestraft worden war, denn sie muss te vieles übergehen und allen Fragen zuvorkommen. Dann berichtete sie ihnen gleich, was sie über Wyndhurst und Wessex wuss te. Es war nicht allzuviel, aber doch mehr, als sie bisher ge wuss t hatten. Sie erklärte ihnen, wo sie die Pferde finden konnten und wo sich das Heer der Dänen vermutlich aufhielt, nämlich bedauerlich weit oben ihm Norden. Sie erzählte ihnen auch von den riesigen Kelten, die den Sachsen feindlich gesinnt waren und den Wikingern helfen konnten, wenn sie sich entschieden, nicht nach Norden, sondern nach Osten zu fliehen.
Sie hatten ihre Fluchtgedanken nie aufgegeben und murrten über die große Vorsicht der Sachsen. Als Kristen ihnen sagte, wie stark und kräftig sie inzwischen alle wieder wirkten, und grinsend mit ihren Fingern über die trainierte Muskulatur auf etlichen Armen fuhr, lachte Bjarni und demonstrierte ihr seine Kraft, indem er sie über seinen Kopf hob. Sie funkelte ihn wütend an, als er sie wieder auf den Boden stellte, doch er wirkte gar nicht zerknirscht.
»Wenigstens seid ihr für eine Flucht in guter Form«, bemerkte sie.
»J a, das Steineheben hat uns nicht geschadet«, erwiderte Odell. »Wenn ich wieder zu Hause bin, wird mir das Pflügen meiner Felder wie ein Kinderspiel vorkommen. «
»Diese Mauern können uns nicht hindern, Kristen«, sagte Ohthere ernst. »Aber es wäre zwecklos, sie einzureißen, solange wir keine Axt haben, um diese Ketten zu zerschlagen.«
»Ich habe in all diesen Wochen noch keine Axt zu sehen bekommen«, sagte sie nachdenklich. »Im Saal liegen alle Arten von Waffen herum, aber nicht eine einzige Axt. Es würde mich nicht wundern, wenn sie sie irgendwo eingeschlossen hätten, Ohthere, denn der Sachse ist in dieser Hinsicht übermäßig vorsichtig.«
»Dann brauchen wir den Schlüssel für das Tür schloss und für diese Ketten.«
» Wisst ihr, wer den Schlüssel hat?« fragte sie.
»Der Erbauer des Walls, den sie Lyman nennen. «
Sie konnte sich an ihn erinnern, hatte ihn aber nicht mehr gesehen, seit sie von den Männern getrennt war. »Er kommt nie ins Haus. Er muss woanders wohnen.«
Sie konnte erkennen, wie sie diese Mitteilung aufnahmen. Ihre Enttäuschung steckte sie an. Gott im Himmel, all das war so ungerecht!
Ohthere versuchte, sie aufzuheitern. »Mach dir um uns keine Sorgen. Mit der Zeit gewöhnen sie sich an uns. Früher oder später wird einem von ihnen ein Fehler unterlaufen, und dann bietet sich uns eine Chance. «
»An mich gewöhnen sie sich auch, aber sie trauen mit immer noch nicht.« Sie legte die Stirn in Falten. »Heute durfte ich zum ersten Mal das Haus verlassen. «
»Da ist diese Edrea, der Bjarni den Hof macht. Glaubst du, sie würde uns vielleicht helfen, wenn es ihm gelingt, ihre Zuneigung zu gewinnen?«
Kristen riss die Augen weit auf und lachte dann. »Meine Güte, ihr denkt aber auch an alles. Aber da ihr gerade davon sprecht - mir ist aufgefallen, dass sie
Weitere Kostenlose Bücher