Herzen in süßer Gefahr (German Edition)
Dammartin sah ihr an, dass sie versuchte, seinem Gedankengang zu folgen.
„Und wie alt sind Sie?“
„Zweiundzwanzig“, erwiderte sie vorsichtig.
Noch so jung, dachte er unwillkürlich. Viel zu jung, um sich in einer solchen Lage wiederzufinden . „Dann kennen Sie also die Unbilden eines Feldzugs sehr gut.“
Sie zögerte. „Ich verstehe nicht, was das mit meinem Mantelsack zu tun hat.“
„Ich frage mich einfach nur, wie es kommt, dass Mademoiselle Mallington, die bisher in jeder schwierigen Lage so viel Mut, so viel Stärke gezeigt hat, sich wegen ein paar gestohlener Kleidungsstücke in solche Aufregung versetzen lässt.“
Josette erstarrte.
„Und mir kommt der Verdacht, die fragliche Dame könnte womöglich Wichtigeres in ihrem Gepäck verstaut haben als nur Kleider.“
Sie wurde blass und biss sich auf die Unterlippe.
„Etwas, das sie auf keinen Fall den Franzosen in die Hände fallen lassen wollte. Liege ich richtig, Mademoiselle?“
Sie nahm den Löffel in die Hand und betrachtete ihn. Dammartin ließ es zu, dass die Stille sich in die Länge zog. Die Spannung wurde fast unerträglich.
„Weiter überlege ich, was es sein könnte, das Mademoiselle Mallington so wichtig ist. Und ich komme zu dem Schluss: ihr Vater.“
Dammartin stützte seine Hände auf den Tisch und beugte sich vor. „Es waren die Tagebücher des Lieutenant Colonel, die sich in Ihrem Mantelsack befanden.“
Der Löffel landete klappernd auf dem Teller. Josette Mallington sah voller Entsetzen und Wut zu ihm hoch. „Sie haben ihn genommen!“, flüsterte sie und sprang so hastig auf, dass der Stuhl umkippte. „Sie haben den Mantelsack gestohlen!“
„Mademoiselle Mallington.“ Dammartin sah sie durchdringend an.
Sie wich vor ihm zurück. „Und da Sie nicht finden können, was Sie suchen, quälen Sie mich mit Fragen, um …“ Erschrocken presste sie die Hand vor den Mund.
Er trat vor sie hin.
Sie machte zwei rasche Schritte rückwärts und hob warnend die Hand. „Kein einziges Mal ist mir der Gedanke gekommen, Sie hätten es sein können.“
Langsam kam er näher. „Mademoiselle.“
„Lassen Sie mich in Ruhe.“ Ihr Gesicht war leichenblass.
Doch er legte die Arme um sie und zog sie an sich. Obwohl sie sich wehrte, gelang es ihr nicht, ihn von sich zu stoßen.
„Hören Sie mir zu.“
„Nein.“ Sie schüttelte den Kopf und versuchte verzweifelt, sich ihm zu entwinden. „Lassen Sie mich los!“
„Josette.“ Aus irgendeinem Grund wollte er, dass sie ihm glaubte. „Ich habe Ihren Mantelsack nicht gestohlen. Warum hätte ich so etwas tun sollen? Wenn es meine Absicht gewesen wäre, ihn zu durchsuchen, meinen Sie nicht, ich hätte das längst getan?“
Allmählich drangen seine Worte zu ihr durch, und sie bemühte sich, ihrer Erregung Herr zu werden. Dammartin hatte recht. Es wäre ihm ohne Weiteres möglich gewesen, ihren Mantelsack vor ihren Augen ohne die geringsten Gewissensbisse leeren zu lassen.
Sie schüttelte den Kopf. „Sie hätten keine Tagebücher gefunden, Capitaine. Sie befinden sich nicht in dem Mantelsack. Ich möchte nur gern meine Sachen zurück.“
Nachdenklich sah er ihr in die Augen. „Ein Mantelsack kann nicht so leicht versteckt werden. Wenn er hier irgendwo ist, finde ich ihn. Und ich werde herausbekommen, wer den Diebstahl begangen hat, Mademoiselle.“
Er war Franzose, und er war ihr Feind, aber in diesem Moment glaubte sie ihm. Und nun, da ihre Aufregung nachgelassen hatte, wurde ihr bewusst, dass sie immer noch in seinen Armen lag und er sie mit einer Leidenschaft ansah, die sie erschauern ließ.
„Ihnen ist kalt“, stellte er ruhig fest.
„Nein“, flüsterte sie, obwohl sie am ganzen Leib zitterte. Sie hätte sich aus seiner Umarmung befreien können, denn der Griff seiner Hände war sanft geworden. Aber Josette rührte sich nicht. Er hob eine Hand und strich ihr mit der Daumenkuppe über die Lippen.
„Mademoiselle.“
Sie konnte sich seinem brennenden Blick nicht entziehen und war unfähig, sich zu bewegen. Fasziniert betrachtete sie sein hageres Gesicht, die gerade Nase, die Narbe, die sinnlichen Lippen. Plötzlich wurde ihr bewusst, dass sie die Hände auf seinen Brustkorb gelegt hatte. Sie spürte seine Hüften, seine Schenkel.
„Josette“, sagte er rau. „Gott stehe mir bei, aber du bringst mich in Versuchung, meine Seele für dich aufzugeben.“
Er legte die Hand in ihren Nacken und beugte leicht den Kopf. Josette wusste, dass er sie küssen würde.
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