Herzen in süßer Gefahr (German Edition)
Nacht hatte er kaum etwas anderes getan. Konnte der Mann, der so herzlich über Jean Dammartin schrieb, ihn ermordet haben? Es war nicht unmöglich, doch der Mallington aus dem Tagebuch erinnerte Pierre an den sterbenden Mallington, der ihm seine Tochter zu treuen Händen übergeben hatte. Der Moment im Kloster ging Pierre nicht aus dem Sinn. Die Worte des Lieutenant Colonel hallten ihm noch in den Ohren.
Ich brauche Sie nicht zu bitten, sie ehrenhaft zu behandeln. Als Jean Dammartins Sohn könnten Sie gar nicht anders, das weiß ich .
Achtzehn Monate verbitterten Hasses und quälender Rachegedanken wegen eines Mannes, der allem Anschein nach unschuldig war. Aber La Roque hatte den Mord beobachtet. Konnte sein Patenonkel sich geirrt haben? Konnte es sein, dass er log, wie Josette behauptete? Pierre kannte Frédéric La Roque sein ganzes Leben. Der Commandant hatte mit ihm und seinem Bruder gespielt, mit seiner Mutter gelacht, am Tisch seiner Eltern gegessen und unter ihrem Dach geschlafen. Der Gedanke, ihm zu misstrauen, war unvorstellbar.
Vielleicht hatte Mallington nicht selbst den Finger am Abzug gehabt, aber irgendeine vernünftige Erklärung, warum La Roque ihn für den Mörder seines Vaters hielt, musste es geben. Oder Mallington war verrückt gewesen.
Er hörte leise Schritte näher kommen, und brauchte nicht aufzusehen, um zu wissen, dass es Josette war.
„Pierre?“
Sie hatte sich eine Decke um die Schultern gelegt. Darunter war der zerknitterte rotschwarze Rock zu sehen. Zurückhaltend blickte sie ihm in die Augen, als könne sie nicht einschätzen, in welcher Stimmung er sich befand. Pierre dachte an die vergangenen Stunden und daran, dass er sein Zelt mit der festen Absicht betreten hatte, Josette zu nehmen, um sich eine schnelle Befriedigung zu gönnen. Doch wie anders war die Nacht verlaufen. Plötzlich war es ihm wichtig gewesen, ihr Lust zu verschaffen und ihr zu zeigen, welche Freuden die Liebe ihr schenken konnte. Dass sein eigenes verzweifeltes Verlangen nicht gestillt wurde, war für ihn nicht von Bedeutung.
Josette besaß die Gabe, Mitgefühl für ihre Mitmenschen zu empfinden. Gestern hatte sie gesehen, wie sehr er unter der unerwarteten Entdeckung litt, und ihn trösten wollen. Und es war ihr gelungen. Sie hatte ihm das Gefühl vermittelt, geheilt zu sein – ausgerechnet die Tochter des Mannes, den er abgrundtief hasste.
Er schämte sich seiner Schwäche, besonders aber schämte er sich dafür, sie für ein Verbrechen bestraft zu haben, das ihr Vater höchstwahrscheinlich gar nicht begangen hatte. In jedem Fall war Josette Mallington unschuldig.
Mit einer einladenden Geste streckte er die Hand nach ihr aus, und sie kam zu ihm und setzte sich neben ihn. Pierre legte den Arm um sie und drückte sie sanft an sich.
„Du konntest nicht schlafen“, sagte sie.
Er lächelte und schüttelte den Kopf. „Kaffee?“ Er hielt ihr seinen Becher hin, und sie nahm ihn entgegen.
„Du sagtest, dass deine Mutter Französin war.“
Nickend nippte sie an dem Kaffee. „Meine Eltern begegneten sich, als Maman 1784 nach England kam, im dem Jahr, als der letzte Krieg zu Ende ging. Ihre Eltern hatten Einwände gegen die Heirat mit einem Engländer und Soldaten. Außerdem war mein Vater älter als sie, ganze sechzehn Jahre. Aber sie liebte ihn, und so setzte sie sich über den Wunsch ihrer Eltern hinweg und wurde seine Frau.“
„Dann war dein Vater ein glücklicher Mann“, sagte Pierre leise.
Lächelnd gab Josette ihm den Becher zurück. „Meine Mutter folgte ihm überallhin, wo sein Dienst ihn hinführte, und ich habe nie gehört, dass sie sich deswegen beschwert hätte. Zuerst waren sie in Nordamerika, aber daran erinnere ich mich kaum. Danach schickte man meinen Vater zu den Westindischen Inseln. Dort starb meine Mutter am Gelbfieber.“
Pierre drückte sie noch fester an sich, um ihr Trost zu spenden. „Danach warst du allein mit deinem Vater.“
„Und meinem Bruder Edward. Papa wurde schließlich nach England zurückgeholt, bevor sie ihn nach Irland schickten. Edward kam zu den 20. Leichten Dragonern und nach Portugal. Ich begleitete meinen Vater, als auch er hierhin versetzt wurde.“
„Und wo ist dein Bruder jetzt?“
„Er fiel bei der Schlacht von Vimiero – mit dreiundzwanzig Jahren.“
„Das tut mir leid, Josette. Du hast viele Verluste hinnehmen müssen.“
„Das haben wir beide“, erwiderte sie, nahm seine Hand und küsste sie. „Darf ich dich etwas fragen? Etwas, das
Weitere Kostenlose Bücher