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Herzensach - Roman

Herzensach - Roman

Titel: Herzensach - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunter Gerlach
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der Student zurück. Eine solche Regung hatte er von dem Förster nicht erwartet. Doch Johann Franke hatte sich bereits wieder im Griff. Lachend sagte er: »Vielleicht findet eines Tages jemand den Mut, diese Traum- und Schaumhöhle auszuräuchern. Ich fürchte nur, eher wird man mich erschießen.«
    Er wandte sich von dem Blick ins Herzensacher Tal ab und ging zur gegenüberliegenden Seite des Plateaus. Für ihn war das Thema damit offensichtlich erledigt. Jakob Finn wagte nicht, nach der Bedeutung dieser Prophezeiung zu fragen, und vergaß sie bis zu jenem Tag, an dem sich die vom Förster gemachten Anspielungen mit Bedeutung füllen sollten.
    Der Förster stützte sich auf einen der Runensteine, betrachtete seine hohen Schnürstiefel, hob den rechten Fuß und schabte mit einem Stöckchen etwas Kot von der Hacke. Jakob Finn nahm die Gelegenheit wahr und brachte seinen Wunsch vor, jenen Waldhang nördlich von Herzensach mit Unterstützung des Försters zum Objekt seiner Doktorarbeit zu machen.
    Johann Franke klopfte ihm auf die Schulter. »Willkommen in der Höhle des Löwen. Ich freue mich auf unsere Zusammenarbeit. Ich werde Sie nach besten Kräften unterstützen. Und wenn Sie einen Waldarbeiter brauchen, sagen Sie es einfach. Sie bekommen ihn. Aber passen Sie auf, daß er Sie nicht im Wald umbringt.«
    Soviel Entgegenkommen hatte Jakob nicht erwartet.
    Die Freude des Försters war echt. »Kommen Sie am besten gleich an einem der nächsten Abende zu uns, damit wir alles besprechen können. Meine Tochter Claudia wird sich freuen, Sie kennenzulernen. Und natürlich muß ich Ihnen meine Hunde zeigen.«
    Sie gingen zu dem Geländewagen, und Johann Franke erzählte überschwenglich von seinen Schäferhunden, deren Rassenmerkmalen und von seinen Zuchtversuchen. Gleichzeitig aber spöttelte er über das gesamte Zuchtwesen, schließlich sei der deutsche Schäferhund vor rund hundert Jahren regelrecht erfunden worden. Die Begeisterung des Försters und seine gleichzeitige Distanz faszinierten Jakob, denn er kannte diese Fähigkeit als wesentliche Voraussetzung für erfolgreiche Forschungsarbeit.
    Auf den Wegen durch den Staatsforst wurde der Förster schweigsam und nahm nur manchmal sein altes Thema vom Wald und den Menschen auf.
    Jakob berichtete ihm von seiner Begegnung mit dem Mädchen und dem Hund. Der Förster lachte, und Jakob spürte, wie ihm das Blut ins Gesicht schoß, als hätte er etwas Verbotenes offenbart.
    »Katharina, unser Findelkind«, spottete der Förster, »wäre wohl lieber gar nicht zur Welt gekommen oder wenn schon, dann ein Mann geworden. Ich habe nichts gegen ihre Streifzüge durch den Wald. Sie bewegt sich geschickt. Aber der Hund gefällt mir nicht. Ich weiß, er ist den Dorfbewohnern lieb und teuer – von dieser abergläubischen Bande ist nichts anderes zu erwarten –, aber es ist ein Hund, und er wird seine Natur nicht ablegen. Nun, er ist klug und geht mir nicht nur im Wald aus dem Weg.«
    Der Förster schwieg, und Jakob versuchte sich das Bild Katharinas zu vergegenwärtigen.
    Sie kamen über die Landstraße von Norden nach Herzensach zurück. Gleich am Dorfeingang zweigte ein Weg ab. Der Förster erklärte, daß er am Waldrand entlang zum Forstamt führe, und bekräftigte seine Einladung. Dann setzte er Jakob vor der Gastwirtschaft ab. Er reichte ihm das Gepäck hinunter und gab Jakob die Hand. »Wir sehen uns.«
    Er gab Gas, fuhr an und bremste im selben Moment.
    Er hob die Hand und wies über das Haus des Arztes hinweg. Der obere Teil des Gutshauses war dort in der Dämmerung zu sehen. In einem der Fenster wurde Licht gemacht. Johann Franke drehte den Kopf zurück.
    »Sehen Sie, um diese Zeit werden die Positionslichter gesetzt.« Sein Lächeln verlor sich. »Vielleicht ist alles, was Menschen tun, auch das Böse, nur der Versuch, ein Ordnungssystem zu entwickeln, in dessen Mittelpunkt sie selber stehen. Sie wollen die Welt auf sich aufmerksam machen und auf sich ausrichten.«
    Der letzte Rest von Freundlichkeit war aus dem Blick des Försters verschwunden. Seine Augen waren starr und unbarmherzig wie die eines Raubvogels.

5
    Maria Glaser band ihr graues Haar zu einem festen Knoten, dann setzte sie sich mit einem zufriedenen Seufzer in den Lehnstuhl. Sie liebte diese Stunde am offenen Fenster der Dachkammer des Gutshauses, wenn die Dämmerung hereinbrach. Sie blickte die Pappelallee entlang, die vom Gutshaus zur Dorfstraße führte, betrachtete die zwei beidseitig der Allee liegenden,

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