Herzensach - Roman
lächelnd zu. Er verstand gar nicht, worum es ging, und fragte nicht nach. Er hätte lieber etwas über den Bauernhof erfahren, den er gestern fluchtartig verlassen hatte, doch jetzt, am frühen Morgen, erschien ihm sein Erlebnis noch unwirklicher. Plötzlich fiel ihm der seltsame gelbbraune Hund mit dem intensiven Blick wieder ein.
»Der Hund ...«, begann er.
»Nein, nein«, unterbrach sie ihn sofort. »Andererseits, so ganz unrecht haben Sie nicht, manchmal benimmt er sich wie einer, und ein guter Ehemann ist er wahrlich nicht. Aber muß man jemandem deshalb gleich in voller Fahrt die Stoßstange ins Knie rammen?«
»Ich meine den großen gelben Hund.«
»Ach, Trivial.« Sie lachte. »Und ich dachte, Sie reden von meinem Sohn. Um Trivial brauchen Sie sich nicht zu kümmern. Der gehört dem verrückten Pastor Pedus. Wie kann man einen Hund Trivial nennen? Verstehen Sie das?«
In der Küche war ein Klappern zu hören. Ihr Kopf zuckte herum. »Karin, was machst du da?«
Das dicke Gesicht der sechzehnjährigen Wirtstochter erschien in der Durchreiche. Entschuldigend hielt sie ein Glas Milch hoch.
»Zeig sofort die andere Hand!«
Ein zusammengelegtes Marmeladenbrot kam zum Vorschein. Die Großmutter schüttelte den Kopf.
»Mein Gott, wenn du nicht aufhörst zu fressen, kriegst du nie einen Mann.«
Karin zog sich grinsend zurück.
»Sind Sie verheiratet?«
»Nein.«
»Wie alt sind Sie?«
»Achtundzwanzig.«
»Dann kommen Sie wohl nicht in Frage.«
»Nein, nicht so recht.«
Sie lachten beide. Sie griff über den Tisch nach seiner Hand.
»Nehmen Sie es nicht so. Es ist einfach meine direkte Art. Ich sage, was ich denke, und weiß gern, woran ich bin.«
Sie zog die Hand zurück. »Von den heiratsfähigen Töchtern im Dorf kann ich Ihnen guten Gewissens nur die Tochter des Försters empfehlen. Claudia ist zwar schon neunundzwanzig ... vielleicht doch schon zu alt für Sie? Aber sie ist hübsch, und Sie bekommen einen erstklassigen Schwiegervater dazu. Er ist nämlich nicht so wie die Tölpel hier aus dem Dorf. Er kommt aus Frankfurt und ist erst Förster geworden, nachdem seine Frau ermordet worden war.« Sie hatte die Stimme etwas gesenkt, als gelte es, dies als Geheimnis zu bewahren. Sie kam etwas näher. »Hat er Ihnen das erzählt? Sie waren doch gestern lange mit ihm unterwegs.«
Jakob schüttelte den Kopf.
»Ein tragischer Fall und so ein schöner Mann. Wissen Sie, manchmal glaube ich, daß Töchter, die nur vom Vater aufgezogen werden, einfach schöner sind. Und wenn der Vater dazu noch Förster ist ...« Sie lachte plötzlich laut. »Wissen Sie, daß ich seine Tochter eben als schußfest bezeichnen wollte, wie einen Hund. Sie sollten Claudia kennenlernen.« Sie kniff die Augen zusammen und lächelte, als gelte es, ihn zu verkuppeln. Er nickte, erzählte von seinem Plan, eine Zeitlang mit dem Förster zusammenzuarbeiten.
»Frisches Blut«, rief sie aus und griff nach seinem Arm, als wollte sie die Festigkeit seiner Muskeln prüfen. Dann ging sie alle anderen Töchter des Dorfes durch, verwarf sie aber nacheinander als zu jung oder zu alt. Die einzige, die Jakob interessierte, schien nicht dabei zu sein, und er erzählte ihr von seiner Begegnung mit dem Mädchen auf der Landstraße.
»Uh«, sagte sie, »Katharina! Die zählt nicht. Nein, die können Sie vergessen. Den möchte ich sehen, der es schafft, sie aufzutauen. Das bedeutet Arbeit. Viel Arbeit, denn sie ist ein hübsches Mädchen, aber sie will nichts davon wissen. Absolut nicht. Sie ist die Tochter des Tischlers, unserem Hallodri von Bürgermeister, und auch wieder nicht, sondern nur sein Pflegekind. Katharina, nein, nein! Es soll ja mal einer einen Stein geküßt haben, bis er weich wurde. Vor zwanzig Jahren – oder ist es schon länger her – lag sie auf einer Stufe vor der Kirche. Ein Findelkind. Vielleicht war das ein Zeichen, und sie wäre besser ins Kloster gegangen. Hockt ja oft genug beim Pastor rum; der hat sie die ersten vier Jahre aufgezogen. Wenn Ihnen Katharina gefällt, haben Sie allerdings einen Vorteil: Bei der Stachelbeere kommt Ihnen keiner in die Quere. Na, was rede ich, lassen Sie uns erst mal darauf anstoßen, daß Sie hier im Ort bleiben.«
Sie ging hinter die Theke und kam mit einer Flasche zurück. »Jetzt gucken Sie nicht so, ich weiß, daß es noch ein bißchen früh ist, aber darauf muß ich mit Ihnen anstoßen. Das ist eine Überraschung. Ein hübscher junger Fremder in Herzensach, was wird man sich das
Weitere Kostenlose Bücher