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Herzensach - Roman

Herzensach - Roman

Titel: Herzensach - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunter Gerlach
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Heidberg hinaufführte. Nach rund fünfhundert Metern aber war der Weg, kurz nachdem er von einem anderen gekreuzt worden war, durch die Einzäunung einer Schonung versperrt. Jakob bog in Richtung Herzensach ab. Bald mußte das Gebiet beginnen, das er untersuchen wollte.. Der Student setzte sich auf einen breiten Baumstumpf und schlug die Karte auf. Er fand den Weg und suchte nach Merkmalen, die ihm helfen würden, seinen Wald abzugrenzen. Er war so sehr in die Karte vertieft, daß er nicht bemerkte, wie sich ihm jemand vorsichtig näherte. Erst als über den Kartenrand hinweg Füße und Beine in sein Gesichtsfeld kamen, fuhr er erschrocken hoch.
    »Verlaufen?« fragte sie spöttisch.
    »Katharina! Ich habe Sie nicht kommen hören.«
    Sie trug wieder die weite, ausgefranste Hose, einen Strick als Gürtel und ein löcheriges Hemd. »Na ja, als Waldmensch ...« (Keine Beleidigungen, sonst haut sie wieder ab!)
    »Ich habe Sie schon eine Weile beobachtet. Sie bewegen sich im Wald wie ...« (Keine Beleidigungen, er ist nämlich ganz nett.)
    »Ich ... ich hatte eigentlich auch gar nicht vor, im Wald ...«
    »Das sieht man.« Sie zog die Mundwinkel herab und betrachtete kopfschüttelnd seinen dunklen Anzug.
    »Aber verlaufen habe ich mich nicht.« Er zeigte ihr die Karte und tippte auf den Punkt, an dem sie sich befanden.
    Sie sah nicht hin, brummte nur. »Egal.« Sie schien zu lauschen.
    Jakob faltete die Karte zusammen. »Gut, daß ich Sie treffe ...«
    »Halten Sie den Mund!« Sie hob die Hand und ließ sie in der Luft stehen, während sie den Kopf drehte, als höre sie etwas Bestimmtes.
    Er wartete, bis sie die Hand sinken ließ.
    »Ich muß mich bei Ihnen bedanken«, begann er leise. Sie sah ihn mürrisch an.
    »Die Mutter des Wirtes erzählte, ich hätte es Ihrer Fürsprache zu verdanken, daß ich die Wohnung über der Werkstatt beziehen kann.« Er ärgerte sich, daß es so förmlich klang.
    Sie antwortete nicht, sondern ging in die Knie, um einen Käfer zu beobachten, der einen langen Grashalm entlangkletterte, bis dieser durch das Gewicht zu Boden gezogen wurde. Er fiel auf den Rücken und begann heftig mit den Beinen zu zappeln. Sie gab ihm mit dem Finger einen Stoß, so daß er auf die Füße kam und eilig davonlief. (Was wollte sie ihm damit sagen?)
    Sie erhob sich und stieß schnaubend die Luft aus. »Ich wollte nur meinen Vater ärgern.«
    »Ihren Vater? Ich habe in dem Buch von Pastor Pedus Ihre Geschichte gelesen.«
    »Gut, er ist nicht mein Vater.« Sie sah ihn wütend an, dann fuhr sie ärgerlich fort: »Dieses blöde Buch! Vollkommen übertrieben und rührselig. Da steht: Ich hätte geweint und geschrien, und erst als der Pfarrer mich aufhob und in die Kirche trug, hätte ich angesichts des Kreuzes gelächelt. So etwas kann nur ein Pfarrer schreiben.«
    »Glauben Sie nicht an Gott?«
    Sie sah ihn genervt an. »Die Gretchenfrage, ha!«
    Er sah es als Chance: »So weit ist es wohl kaum zwischen uns.«
    Für sie war es die Möglichkeit einer Zurechtweisung: »Und wird es auch niemals werden!«
    Wie konnte er das wiedergutmachen? »Ich hoffe, wir kommen trotzdem miteinander aus.«
    Katharinas Abwehr reizte Jakob, sie zu provozieren, doch er hielt an sich, denn er spürte, er würde schnell über das Ziel hinausschießen und sie verärgern.
    Sie wandte sich zum Gehen. »Mein Gott ist ein anderer als der aller anderen.«
    »Das könnte von Pastor Pedus sein.«
    »Sie fangen an zu nerven.« Ihr Miene wurde feindselig. Dann strich sie sich Haarsträhnen aus dem Gesicht und musterte ihn schweigend von oben bis unten; plötzlich verzog sich ihr Gesicht zu einem Grinsen.
    »Sie sehen aus wie ein Idiot in Ihrem Anzug. Italienisches Design? Laufen Sie immer so rum? Was sind das für Schuhe? Wie nennt man die? Budapester?«
    »Vielleicht sollten wir tauschen. Es macht keinen Unterschied. Was ist das für ein Design?« Es sollte eine Anspielung auf ihre ausgefranste Hose sein, aber er sah sofort, daß sie es ganz anders auffaßte, denn ihr Blick verfinsterte sich abermals. »Natürlich, klar, ich soll mich ausziehen.«
    »Hören Sie zu«, beeilte er sich, sie zu besänftigen, »ich habe keinerlei Absichten Ihnen gegenüber. Und wenn Sie wollen, schwöre ich das.« Es war gelogen. Wie sie dort stand in ihrer Wut, hätte er sie am liebsten umarmt, um ihr zu zeigen, daß er nicht so schlecht war, wie sie von ihm und wahrscheinlich von aller Welt dachte. Doch er ahnte, daß er damit genau das Gegenteil bewirken würde.

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