Herzensach - Roman
Moment – wenn man mit dem Gegenteil das Gegenteil bewirkte ...
»Am besten gehen Sie nach rechts und ich nach links, so besteht keine Gefahr, daß wir uns heute noch einmal begegnen. Leben Sie wohl.«
Ohne sich umzusehen, ging er den Weg entlang und klemmte sich die Karte zusammen mit der Weinsteiner Broschüre unter den Arm. Kurz darauf hörte er Schritte hinter sich. Sie holte ihn ein, hielt mit ihm Schritt und schwieg. Er verbarg seine Freude, zeigte sich gleichgültig.
Nach einer Weile sagte sie: »Ich zeige Ihnen jetzt was, damit Sie nicht wie ein Trampel durch den Wald laufen und alle Tiere verscheuchen.«
Sie bog zwischen zwei Bäumen ab, und er folgte ihr, mußte sich vor Ästen ducken und durch das Unterholz schlagen. Sie bog die Zweige mit Absicht zurück, so daß sie ihm ins Gesicht schlugen. Er war sicher, es hätte auch einen bequemeren Weg gegeben. Schließlich standen sie vor einem Dornengebüsch. Sie hielt an, legte den Finger auf den Mund, prüfte die Windrichtung, dann zwängte sie sich durch die Dornen. Jakob blieb mit seiner Kleidung hängen. Ihr Grinsen war reine Schadenfreude. Plötzlich ging sie auf allen vieren und schob sich unter ein Gebüsch. Sie winkte ihn neben sich und legte den Finger auf den Mund. Er kroch hinter ihr her. Vor ihnen brach der sandige Boden steil ab und öffnete sich zu einer Mulde. Seitlich befand sich ein Fuchsbau, in dessen Eingang zwischen niedrigem Gesträuch vier kleine Füchse spielten. Sie jagten sich, fielen übereinander her und rauften miteinander.
Katharina sah Jakob an. Zum ersten Mal hatte sie ein vollkommen argloses Lächeln auf den Lippen. Sie sahen dem übermütigen Treiben zu, bis ein Geräusch die Tiere in die Höhle flüchten ließ.
Als sie zurück auf dem Weg waren, lachte Katharina über sein verändertes Aussehen. Sie zupfte schadenfroh an seinem Jackett und tupfte mit den Finger auf die Kratzer an seinen Händen und Wangen. »So sehen Sie schon besser aus«, kicherte sie.
»Aber ich muß sagen, es hat sich gelohnt.« Er stimmte in ihr Lachen ein, lachte über seinen Anzug (italienisches Design!) und über seine Schuhe (Budapester!). »Nächste Woche hole ich passende Kleidung aus Hamburg nach. Ich hoffe, Sie zeigen mir dann die anderen Geheimnisse des Waldes.«
»Nein«, sagte sie, und ihr Gesicht nahm den abweisenden Ausdruck wieder an. »Dies war eine Ausnahme. Bilden Sie sich nicht ein, ich wäre Ihnen irgendwie freundlich gesinnt.«
»Schon gut.«
Sie beschleunigte ihren Schritt und bog in einen abwärts führenden Weg zum Dorf ein.
Er ließ sie vorgehen. »Trotzdem: danke.«
Als die ersten Häuser in Sicht kamen, holte er sie ein. »Darf ich Sie etwas fragen?«
Sie kniff die Lippen zusammen und sah nicht zu ihm.
»Wie gesagt, ich will nichts von Ihnen, außer daß wir vielleicht Freunde ... nein, auch das nicht ... daß wir einfach gute Nachbarn werden. Das soll mir genügen.«
Er bekam einen mißtrauischen Blick.
»Was ist es, was Sie an Männern nicht mögen?«
»Ich hasse sie.«
»Was hassen Sie an ihnen?«
»Alles.«
Er begriff, daß sie nicht über ihre Einstellung sprechen wollte, doch plötzlich ergänzte sie: »Vor allem hasse ich es, wenn ein Idiot wie Sie daherkommt und glaubt, er könne meine Meinung ändern.«
Sie waren hinter dem Gutshaus an die Herzensach gekommen. Es gab keine Brücke. Katharina sprang über die im Fluß liegenden Steine und rannte auf der anderen Seite davon.
Er sah ihr nach und setzte sich ins Gras. Er fühlte eine seltene Schwere in seiner Brust. Jetzt wußte er sicher, er liebte dieses Mädchen, aber er wußte auch um die Vergeblichkeit seiner Sehnsucht. Wenigstens im Augenblick.
Nach einer Weile schüttelte er seine Gedanken ab und versuchte wie sie über die Steine zu springen. In der Mitte rutschte er ab, fiel ins Wasser. Er schlug lang hin und richtete sich schnell wieder auf. Es war nicht tief. Als er auf dem glitschigen Untergrund Halt fand, ging es ihm nur bis zu den Oberschenkeln. Er watete zu einer flacheren Stelle und kletterte auf einen Felsbrocken. Er war vollkommen naß. Das Wasser lief an ihm herunter. Er sah zum Ufer. Trivial hockte auf der Kuppe der Böschung. Er betrachte Jakob aufmerksam von oben herab, dann kratzte er sich und schien zu grinsen.
14
Der Wirt hinkte durch die leere Gaststube, stützte sich auf seinem Weg mehrmals an Stuhllehnen ab. Hinter dem Tresen lehnte er sich gegen die Wand (genau an der etwas abgeschabten Stelle), um seine schwachen
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