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Herzensach - Roman

Herzensach - Roman

Titel: Herzensach - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunter Gerlach
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Kniegelenke ein wenig zu entlasten. Seine Mutter stand schweigend hinter den Zapfhähnen und goß die beiden vorbereiteten Bierkrüge voll, wischte mit einem Lappen über ein Tablett und stellte sie darauf.
    »Soll ich?« fragte sie und faßte das Tablett an beiden Seiten.
    »Laß nur, es geht schon.« Peter Wischberg nahm es ihr aus den Händen. Er stemmte die Hüfte gegen die Wand, um seinen schweren Körper im Gleichgewicht zu halten, stieß sich ab und hinkte den Gang hinter dem Tresen entlang. Gefährlich schwankend durchquerte er die Gaststube, kam bis zur Tür des Hinterzimmers, bevor ein Glas zu rutschen begann. Er stellte das Tablett auf einem Tisch ab und öffnete die Tür. In kleinen Schritten, womit er die mangelnde Belastbarkeit des Beines mit dem zerstörten Knie besser ausgleichen konnte, brachte er seinem Gast das Bier und funkelte ihn an.
    »Verdammt, warum müssen wir uns hier hinten vor aller Welt verkriechen? Jeder weiß um mein Projekt.«
    »Ich habe es dir doch schon erklärt. Ich will nicht, daß dieser Fremde mich im Augenblick sieht. Vielleicht ist es einer von den Grünen, die Gründe suchen, deinen Plan zum Scheitern zu bringen. Er schnüffelt herum! Diese selbsternannten Naturschützer holen immer Spezialisten von auswärts.«
    Der Wirt lachte den Tischler aus. »Und du holst dir den Vogel ins Nest!«
    »So habe ich ihn unter Kontrolle. Vielleicht gelingt es mir, in seinen Unterlagen zu schnüffeln. Dann wissen wir, woran wir sind.« Er glaubte nicht, daß der Student zu den Naturschützern gehörte, hatte aber eine Erklärung gebraucht, warum er an ihn vermietet hatte. Die Rechtfertigung, den vermeintlichen Feind im eigenen Haus am besten kontrollieren zu können, war genial. Seine Niederlage, von der Familie überstimmt worden zu sein, wollte er dem Wirt gegenüber nicht zugeben.
    »Unsinn alles«, polterte der Wirt. »Das Lichter Moor ist nichts Besonderes. So etwas gibt es hier alle fünf Kilometer. Außerdem, wir wollen es ja erhalten, wie es ist, wenigstens teilweise. Das macht schließlich auch die Attraktivität der Ferienhaussiedlung aus.« Der Wirt schob seinen eigenen Bierkrug über den Tisch und stemmte sich an der Tischkante entlang bis zu seinem Stuhl. Es ärgerte ihn, daß man sich fürs Geldverdienen heutzutage rechtfertigen mußte. Früher genügte es zu sagen, daß eine Sache Gewinn brachte, und sie war gut.
    »Es geht gar nicht um die Ökogeschichte«, sagte der Tischler. »Am Steinersee haben sie hundertfünfzig Ferienhäuser zugelassen und dafür den Wald gerodet. Nächstes Jahr sollen noch einmal fünfzig dazukommen. In der Kreisverwaltung heißt es, den Grünen sei im geheimen und als Ausgleich das Lichter Moor als Naturschutzgebiet versprochen worden. Das ist Politik.«
    Der Wirt setzte sich stöhnend. »Wenn du Angst hast, deine Aufträge vom Kreis zu verlieren, weil du für mich die Ferienhäuser bauen sollst, dann laß es bleiben. Die Dänen liefern uns alles fertig und preiswerter.«
    Der Tischler fuhr hoch und beugte sich vor, als wolle er sein Gegenüber am Kragen fassen, doch gleich darauf ließ er sich mit leeren Händen zurücksinken. »Du weißt genau, daß sie billiges, frisches Holz nehmen. Ein Winter nur, und die Wände sind verzogen. Kein Fenster, keine Tür schließt mehr richtig. Dann geht das Theater los. Reklamier du mal in Dänemark. Bis da einer kommt, sind deine Ferienhäuser unbewohnbar. Ich bin vor Ort, mein Lieber.«
    Der Wirt lächelte. Er kannte die theatralischen Gesten des Tischlers. Thomas Timber breitete die Grundrißpläne der Ferienhäuser aus. »Außerdem kann ich jetzt im Preis mithalten. Eine kleine Änderung nur: Wir bauen die Duschkabine so, daß man sie von der Küche aus betritt. Wir sparen Material, und schon stimmt der Preis.«
    Der Wirt nickte, darauf hatte er gewartet. Er beugte sich über die Pläne und fuhr mit dem Finger die Linien nach.
    Vor einigen Jahren hatte Peter Wischberg sich in die Idee verrannt, am Lichter Moor eine Ferienhaussiedlung zu bauen, und den Wurstfabrikanten Wilhelm Weber dafür als möglichen Finanzier gewonnen. (Kurz darauf wurde ihm von seiner Frau das Knie zertrümmert. Ein intelligenter Mensch hätte einen Zusammenhang hergestellt.) Der Besitzer des Grundstückes, die Familie van Grunten, sträubte sich. Hermann van Grunten fürchtete die Veränderungen, die mit dem Tourismus im Dorf einhergehen würden, und Jan van Grunten weigerte sich, einen auch nur auf fünf Jahre befristeten Pachtvertrag

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