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Herzensach - Roman

Herzensach - Roman

Titel: Herzensach - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunter Gerlach
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doch dann eilte sie schnell und mit zusammengepreßten Lippen die Treppe hinunter.
    Der Student setzte sich wieder an den Küchentisch und stützte seinen Kopf in beide Hände. Es schien ihm offensichtlich, die Frau wußte, wer Katharinas Mutter, und vielleicht auch, wer der Vater war, und sie hatte Angst, daß er es herauszufinden versuchte. Er stand auf und lauschte, ob von unten etwas zu hören war. Etwas knarrte. Vielleicht eine Tür? Der Gedanke, daß Katharina jetzt genau unter ihm saß, beflügelte ihn.
    Er öffnete ein Dachfenster und lehnte sich so weit hinaus, bis er über die Dachkante hinweg die Straße sehen konnte. Es war schwierig, aber es ging. Die Dorfstraße war leer. Anschließend verließ er die Wohnung, zögerte vor der Bürotür, öffnete sie schließlich und trat ein.
    Katharina war allein, saß am Schreibtisch und blätterte in einem Ordner.
    »Ich wollte nur guten Tag sagen.«
    Sie blickte auf, verzog säuerlich den Mund.
    »Tag.« Sie senkte den Kopf wieder in ihre Akte.
    »Ich bin sozusagen jetzt oben eingezogen. Mir fehlen nur noch meine Sachen aus Hamburg. Wir sind also Nachbarn.«
    Ihr Schweigen war ein Hinauswurf. Er blieb, und sie sagte: »Aha.«
    »Katharina, ich dachte nur, wenn wir ...« Er wußte es sofort, alles war verkehrt.
    »Nein!« So scharf und endgültig, daß er grinsen mußte.
    Sie stand auf, stellte den Ordner ins Regal, drehte sich zu ihm herum. Ihre blauen Augen waren wie zwei glasklare gefrorene Seen. Er hielt ihrem Blick stand, versuchte es mit neutraler Freundlichkeit, kam einen Schritt näher. Vielleicht eine geschäftsmäßig klingende Einladung?
    »Sie sollten nur wissen, daß ich Ihnen dankbar bin und ... daß ich Sie gern mag. Ich würde gern ...«
    Ansatzlos hatte sie zugeschlagen. Verblüfft fühlte er dem Schlag auf seiner Wange nach. Ein leichtes Brennen, das vielleicht aber auch davon kam, daß ihm das Blut ins Gesicht schoß.
    »Kommen Sie mir niemals zu nahe«, zischte sie. Es brachte ihn vollkommen aus der Fassung.
    Er stotterte: »Aber ... ich ... warum ...« Es war ihm unmöglich, einen vernünftigen Satz zu formulieren.
    Aus der Werkstatt wurde Katharinas Name gerufen. Die Tür zur Werkstatt öffnete sich.
    »Katharina, ich ... was zum Teufel ...?«
    Jakob kannte den Mann im Türrahmen.
    Es mußte der Tischlermeister sein. Das lange Kinn, die kleinen Augen. Er hatte den Mann vor dem Gasthof gesehen, wie er versucht hatte, sich die Schuhe zu säubern. Und er hatte ihn davor schon einmal gesehen. Und in diesem Augenblick erinnerte er sich ganz genau. Er wußte, wo und wann es gewesen war. Und er wußte, daß auch der Mann es wußte. Sie starrten einander an. Zu lange.

19
    »Willi, ich bitte dich, was ist das wieder für eine Idee!« Jan stand in seiner Bibliothek und hielt die Skizze eines Brunnens mit spitzen Fingern in die Höhe.
    »Was willst du, es ist wunderschön. Eine Grafikerin hat diesen Entwurf angefertigt. Sie ist eine echte Künstlerin.« Beleidigt zog sich der Wurstfabrikant tiefer in den Sessel zurück.
    »Nun schmoll nicht, du weißt, ich habe dir bis jetzt jeden Wunsch erfüllt.«
    »Ja, wenn ich ihn bezahlt habe.«
    Der Gutsherr überhörte den Einwand. »Du durftest deinen griechischen Bungalow bauen.«
    »Ich wollte eine Pyramide.«
    »Und den Dorfteich durftest du auch herrichten lassen.«
    »Ich wollte den Dorfteich in Wurstform, das wurde mir nicht erlaubt.«
    Der Gutsherr lachte. »Du würdest am liebsten das gesamte Dorf in Wurstform bringen.«
    »Da. Du nimmst mich nicht ernst.«
    »Doch.«
    Wilhelm Weber kam ein wenig aus der Deckung hervor: »Dann laß mich wenigstens diesen Brunnen aufstellen. Die Verkehrsinsel vor der Friedenseiche eignet sich hervorragend. Die ist noch frei, da steht noch nichts.«
    Der Gutsherr lachte noch immer. »Ein Schwein, aus dessen hochgereckter Schnauze eine Wasserfontäne kommt.«
    »Und selbst das ist ein Kompromiß«, ärgerte sich der Fabrikant. »Ursprünglich hatte das Schwein eine Wurst in der hochgereckten Schnauze. Die habe ich freiwillig weggelassen.«
    Der Gutsherr versuchte seinen Freund zu besänftigen. »Aber Willi, es ist ein Brunnen für Herzensach, und was hat das alles mit Herzensach zu tun?«
    »Viele im Dorf züchten Schweine!« kam es noch immer schmollend aus dem Sessel.
    »Komm, Willi, sag was wirklich dahintersteckt. Ich kenne dich doch.«
    Der Schlachter stieg aus dem schweren Sessel, holte sich den Entwurf und blickte begeistert darauf. »Schön, wunderschön. Ein wahres

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