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Herzensach - Roman

Herzensach - Roman

Titel: Herzensach - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunter Gerlach
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den weiteren Strophen war es immer darum gegangen, die Begriffe zu vertauschen. Es gab auch einen Refrain, aber sie wußte ihn nicht mehr. Sie hatten damals viel miteinander gelacht.
    »Wie ist es nun mit dem Du?« fragte er.
    Sie nickte und hockte sich auf die Erde.
    »Es gibt noch etwas, was ich an dir bewundere. Du versuchst ein eigenständiges Leben zu führen. Dagegen sind die anderen Mädchen aus dem Dorf eine Schar schnatternder Gänse – nur hinter Männern her. Am Ende werden sie geschlachtet.«
    Sie wollte einwerfen, daß er einer der Männer sei, die für das Verhalten der Frauen mitverantwortlich seien, doch er hob die Hand. »Ich darf das sagen«, fuhr er fort, »weil ich mir nichts aus Frauen mache – so wie du dir nichts aus Männern machst.«
    Sie runzelte die Stirn. War er homosexuell? Das hatte sie nicht erwartet. Wie verhielten sich die gegenüber Frauen?
    Er lächelte und nickte. »Ich sage dir das alles nur, weil du die einzige im Dorf bist, der ich das überhaupt sagen kann. Ich denke, du verstehst mich. Und ich habe gewissermaßen jetzt vorbehaltloses Vertrauen zu dir, so wie du damals zu mir.«
    Verwundert betrachtete sie ihn. Waren alle Schwulen so? Wieso vertraute er ihr ein solches Geheimnis an? Sie hatte ihn in den letzten Jahren nur wenig und dann von weitem gesehen. Als sein Vater abtrat und ihm das Gut überließ, war für die Herzensacher ein großes Fest ausgerichtet worden. Sie hatte sich geweigert, dorthin zu gehen. Unvermeidlich war, daß sie den Klatsch über ihn mitbekam. In Berlin solle er ein wildes Leben führen sie hatte dabei immer an junge Frauen gedacht. Es waren Männer! Eigentlich kannte sie das Phänomen Homosexualität nur aus dem Fernsehen. Sie erinnerte sich, wie sie als Kind zu ihm aufgeblickt hatte, weil er auf alle Fragen eine Antwort wußte. Er war zehn oder fünfzehn Jahre älter als sie und war ihr damals sehr erwachsen vorgekommen.
    Jetzt meinte sie zu spüren, daß er derjenige war, der ein Problem und keine Antwort besaß. (Wie machten sie es miteinander?) Sie rutschte zu ihm heran an den Stamm und lächelte. (Wie interessant, ein echter Schwuler!)
    Er schüttelte den Kopf. »Schon komisch, daß ich dich gerade jetzt treffe«, sagte er. »Aber ich bin froh darüber.« Er strich mit der flachen Hand über das Moos zu seinen Füßen. (Eine schwule Bewegung?) »Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll, aber ich glaube, du bist die einzige Frau, die meine Neigung versteht, ohne den Ehrgeiz zu entwickeln, mich bekehren zu wollen.« Er lachte hilflos und bohrte mit dem Finger im Waldboden.
    »Weißt du, es ist schon seltsam mit den Frauen ...«
    Er schien ihren Rat zu wollen, es machte sie stolz, aber es verunsicherte sie auch. »Ach ja?«
    »Ich habe im Grunde keine Ahnung, aber ...« Er schüttelte den Kopf. »Ich möchte dir etwas erzählen. Ich weiß nicht, wem ich es sonst sagen soll. Ich glaube, wenn du mir zuhörst, ich glaube, das hilft mir schon.«
    Er lächelte sie fragend an, und sie nickte ihm zu. Während er ihr von den Bedingungen des Vertrages zwischen den Weinsteiner Grafen und seiner Familie berichtete, hatte sie das Gefühl, einem Bruder zuzuhören. Sie verstand seine Gefühle, und sie begriff sein Problem, das er nun als besonders drängend darstellte, weil der Student, höchstwahrscheinlich ein Erbe der Weinsteins, im Dorf aufgetaucht sei und nur darauf warte, das gesamte Dorf und die Ländereien wieder an sich zu nehmen.
    »Möglicherweise bringt er mich sogar um«, sagte Jan mit einem Lachen.
    Katharina behielt ihre Begegnung mit dem Studenten für sich. Sie bezweifelte, daß er ein Weinstein war und von ihm irgendeine Gefahr für Jan ausging. Sie hatte ihn absichtlich besonders schroff behandelt, denn sie war sich bewußt geworden, daß er ihr Bild von den Männern ins Wanken bringen konnte. Mehrmals war sie in Versuchung geraten, ganz normal mit ihm zu sprechen. Sie hatte sich sogar dabei ertappt, ihn sympathisch zu finden. Jetzt war sie froh, ihm mit der Ohrfeige eine eindeutige Abfuhr erteilt zu haben.
    »Warum heiratest du nicht pro forma und ...«
    »Nein.« Er ließ sie nicht zu Ende sprechen, sondern schilderte, welche Verpflichtungen er mit einer solchen Ehe einzugehen befürchtete. »Nein, was ich brauche, ist eine Frau, die garantiert nicht mit mir zusammenleben will. Die einfach nur ein Kind bekommt. Dafür wäre ich bereit, viel zu bezahlen, so daß sie für den Rest ihres Lebens ausgesorgt hätte. Sie bräuchte sich keine Sorgen

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