Herzensach - Roman
um die Zukunft zu machen. Aber, bitte, keine Ehefrau.«
Er sah sie verlegen von der Seite an: »Katharina, eigentlich müßte es jemand wie du sein.« Er lachte, als hätte er einen guten Witz gemacht.
Sie hielt ihm die Hand auf den Mund. »Hör auf!«
Er verstummte und las in ihren Augen. »Du? ... Nein.«
Sie nickte. »Warum nicht?«
Er schüttelte den Kopf. »So war das nicht gemeint.«
»Laß mich darüber nachdenken.«
Er erhob sich, schüttelte seine Hosenbeine. Er beugte sich noch mal herab und gab ihr die Hand. »Ich weiß, daß du mir helfen willst, aber du sollst es dir wirklich gut überlegen, denn ich werde mich nicht ändern – für nichts und niemanden.«
Sie nickte und blieb sitzen.
»Nein, Katharina, nein«, sagte er scharf, als solle sie sich ein für allemal diese Idee aus dem Kopf schlagen. Doch sie sah durch ihn hindurch. Es schien ihr eine gute Lösung für ihr weiteres Leben. Nein, es war sogar genau das Ereignis, auf das sie gewartet hatte, ohne es zu wissen. Sie würde die Unabhängigkeit bekommen, die sie sich wünschte. Niemand konnte ihr dann noch Vorschriften machen. Sie wäre auf einen Schlag frei ...
Ein Kind. Warum nicht. Es würde eine Amme, eine Erzieherin bekommen. Ein Kind. Na und? Wenn sie wollte, konnte sie es auch selbst aufziehen. Natürlich mußte sie dazu einiges vorbereiten. Schließlich hatte sie sich vor kurzem ganz anders entschieden.
Sie sah Jan nach. Er ging langsam davon, blieb stehen und rief: »Ich möchte nicht, daß du das für mich tust.«
Doch es bestätigte sie nur in ihrem Plan. Und sie fühlte, dies war der Augenblick, in dem sich das Leben vollkommen änderte. Wie viele Menschen warteten auf solch eine Chance? Sie konnte, sie mußte sie ergreifen.
Sie stand auf, lehnte sich gegen den Stamm der Eiche. »Ich will«, sagte sie leise und sah Jan nach. (Schwul!) Er trat zwischen die Bäume, drehte sich um und winkte ihr noch einmal zu, bevor er im dichten Wald verschwand. (Schwul!)
»Ich will«, sagte sie.
21
War es so? Das Idyll Herzensach (war es eins?) hatte ihn innerhalb dreier Tage mit einer besonders schnell wachsenden Kletterrose (seiner eigenen blühenden Begeisterung) umrankt und gefangengenommen. Nun hatte die Kletterpflanze Dornen ausgebildet, und einige der Stacheln hatten sich in seine Haut gebohrt, hatten verhindert, daß er einschlief – wie Dornröschen.
Er wußte nicht, ob es Katharinas Ohrfeige, der Blick des Tischlermeisters oder die Begegnung mit Jan van Grunten gewesen war, was ihn in jene Wirklichkeit zurückversetzt hatte, aus der er gekommen war. Man wollte ihn nicht, lehnte ihn ab, war ihm feindlich gesinnt. Auch der Gutsherr. Erst im nachhinein wurde ihm bewußt, daß er einer Theateraufführung beigewohnt hatte. Der Mann war nicht echt.
Schon gestern hätte er seinen Wagen in Weinstein abholen können, hatte es aber hinausgeschoben, weil er ihn scheinbar nicht benötigte. Er war auch nicht echt gewesen. Beide, der Gutsherr und er, waren sie Zitate aus einem Buch, Figuren aus einem Film. Theater. Selbstvergessen. Zurück in die Wirklichkeit der Schläge und Feindseligkeiten und Fahrpläne. Er stand an der Bushaltestelle nach Weinstein, studierte die Abfahrtzeiten und war in Gedanken bereits in Hamburg. Vier Tage hatte er in den fotorealistischen Kulissen eines Bühnenstücks geschlafen. Wach auf, du Dummkopf, hatte er sich an diesem Morgen gesagt, du träumst. Dieses Dorf war so häßlich, rückständig, öde, verschimmelt wie alle anderen, seine Bewohner verbohrt, einfältig und, wie nicht anders zu erwarten bei einem perversen Bürgermeister, voller idiotischer Macken. Katharinas trotzige Art hatte ihn herausgefordert. Ein Spiel. Was sollte er sich mit ihr abgeben? Schluß. In Hamburg gab es genug Frauen, die interessanter waren.
Jakob Finn lächelte grimmig, fast wäre es diesem Mädchen gelungen, aus ihm einen Dummkopf zu machen. Nein, Herzensach war nur noch Objekt wissenschaftlichen Interesses, man beugte sich mit einem Vergrößerungsglas darüber und beobachtete das putzige Krabbeln. Und wenn man Vergnügen daran hatte, stieß man einen der Käfer an, damit er auf den Rücken fiel. Schon interessant, daß sie sich von allein nicht umdrehen können. Notieren wir das mal! Vielleicht würde es ihm gelingen, die Dauer seines Aufenthalts zu reduzieren. Vielleicht genügte es, alle vierzehn Tage oder einmal im Monat die Messungen und Beobachtungen vorzunehmen? Jemand stieß ihn am Knie. Er sah herab. Der Hund war
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