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Herzensach - Roman

Herzensach - Roman

Titel: Herzensach - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunter Gerlach
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Johann Franke. Diese Mischung aus Naturkundler und Seelentröster in Gestalt eines Försters rief den Geist längst vergangener Tage wach und besaß damit alles, was man brauchte, um sie populär zu machen. Ein Mann, der mit einem Reh durch den Wald in die Wohnstuben ging, traf schon ins Herz. Doch er würde auch zu Tränen rühren, wenn er vor einer Eiche stehenblieb und dem Mann zu Hause auf dem Sofa mit all seinen kleinen häßlichen Problemen sagen würde: »Dieser Baum ist wie dein Leben! Dieser Baum bist du!«
    Durfte Jakob das alles auslösen? Heerscharen begeisterter Zuschauer, die mit Bussen anreisten, durch Herzensach trampelten, den Wald eroberten und alles vertrieben, was Stille und Einsamkeit zum Leben benötigte. Wer die Natur wirklich liebte, würde dort nichts mehr verloren haben. War das auch seine Rache an Katharina?
    Andreas ging in den Flur, um seine Jacke vom Haken zu nehmen. »Was ist?« rief er. »Laß uns losfahren. Nach Herzensach und den Mann unter Vertrag nehmen.«
    »Komm zurück, der Mann ist hier. In Hamburg.«
    Um die kleinliche Rache des zurückgewiesenen Liebhabers auszuüben, brauchte er nicht einmal nach Herzensach zu fahren. Katharina, nicht mehr lange, und du wirst keinen ruhigen Waldweg mehr finden. Deine Füchse werden auswandern. Sie sind schon so gut wie tot!
    »Wo ist dieser Förster?«
    »Auf der Hundeausstellung.«
    Er sah Katharina, wie er sie das erste Mal gesehen hatte, wie sie mit Trivial aus dem Wald trat. Er wußte, daß er sie noch immer liebte, und plötzlich wußte er auch, daß er nichts, aber auch gar nichts von dem getan hatte, was er hätte tun können, um die Liebe des Mädchens zu gewinnen!
    Mit der Arroganz des Städters hatte er erwartet, daß sie zu ihm aufblicken würde, daß sie ihn lieben würde, wenn er nur das kleinste Signal gab.
    Hatte er nicht geglaubt, jedes Mädchen aus einem kleinen Dorf müßte doch in ihm die Chance sehen, die langweilige Heimat zu verlassen, und würde sich deshalb um seine Aufmerksamkeit bemühen?
    Was für ein Dummkopf war er!
    Er mußte nach Herzensach – so schnell wie möglich!

26
    In der Küche saßen seine Töchter Anne und Katja beim Mittagessen und ließen sich von Wilhelmina bedienen. Die fast siebzigjährige Haushälterin, Tochter eines Bauern aus Herzensach, war schon bei seinem Vorgänger beschäftigt gewesen. Er verbot es sich, darüber nachzudenken, ob sie die nächtliche Fürsorge auch bei dem vorigen Arzt betrieben hatte. Sie sah ihn fragend an, und er winkte ab.
    »Danke, Mienchen, das Frühstück war so reichhaltig, ich laß das Mittagessen ausfallen und mache einen Spaziergang.«
    Er verließ das Haus durch den Hinterausgang. Das Bild des Gartens wurde durch eine Reihe alter Apfelbäume der unterschiedlichsten Sorten bestimmt. Die Schaukel war aus dem Keller geholt worden und hing an einem Baum. Doktor Bernhard Andree wollte schon wütend kehrtmachen, um von der Haushälterin zu verlangen, sie an anderer Stelle anzubringen, als ihm einfiel, daß wahrscheinlich niemandem außer ihm bewußt war, daß die Schaukel an dem Todesbaum hing. In diesem Geäst war es vor sechzehn Jahren geschehen. Sein Vorgänger, Doktor Friedhelm Falter, hatte zum Apfelpflücken die Leiter bestiegen und war, weil sie nicht lang genug war, weiter auf die Äste hinaufgeklettert. Ziemlich weit oben mußte er dann abgerutscht und so unglücklich gestürzt sein, daß er sich mit dem Kopf in einer Astgabel verfing und sich der Halswirbel brach. Wie einen Erhängten hatte man ihn aus dem Baum geholt.
    Bernhard Andree hatte seiner Familie verboten, eine Leiter zu benutzen. Sie sollten nur die Äpfel ernten, die sie mit der Hand erreichen konnten, oder den Baum schütteln. (Als wenn er seiner Frau etwas hätte verbieten können.) Doch die anfängliche Begeisterung für die eigenen Äpfel hatte sich sowieso gelegt. Die meisten Sorten waren sehr sauer. Außer der Haushälterin war inzwischen niemand mehr besonders an der Apfelernte interessiert. Und Wilhelmina stieg schon lange nicht mehr auf eine Leiter. Die wenigen Äpfel, die sie benötigte, um ihr Apfelmus zu kochen, las sie vom Boden auf.
    Der Arzt begutachtete die Stricke der Schaukel und ihre Befestigung an dem starken Ast. Er zog an ihnen und setzte sich zur Probe auf das Holzbrett. Die Prüfung fiel zu seiner Zufriedenheit aus. Und wenn selbst Mienchen nicht mehr wußte, welche Bedeutung dieser Baum hatte, dann sollte die Schaukel dort hängen bleiben. Mit seinem Aberglauben würde

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