Herzensbrecher auf vier Pfoten
wissen, dass ich dich als Verantwortliche eingesetzt habe, da du meiner Meinung nach das einzige Familienmitglied bist, das Geheimnisse wirklich verstehen kann. Wenn du nun meinen Plunder aus vierzig Jahren durchschaust, wirst du auf einige Dinge stoßen, die mir lieb und teuer waren – und einige davon umgeben Geheimnisse, die ich viele Jahre lang bewahrt habe. Davon gehören nicht alle mir. Es liegt jedoch an dir, was du damit tust – ebenso liegt es in deinen Händen, was du mit dem Haus machst.
Nun lüfte ich unser erstes Geheimnis: Ich habe es vermasselt, für die Erbschaftssteuer zu sparen; du wirst also wahrscheinlich erst einmal ganz schön überfordert sein. Aber in der Butterdose im Kühlschrank befindet sich ein Collier, das ich nie getragen habe. Trage es bitte, damit jeder denkt, dass es dir gehört. Dann kannst du es verkaufen, falls es nötig sein wird. Ich denke, dass du in deiner »komplizierten« Beziehung dann und wann schon einmal ein Diamantencollier geschenkt bekommen hast und es daher nichts Ungewöhnliches für dich sein sollte.
Nun folgt das nächste Geheimnis. Deine Mutter und ich haben uns vor vielen Jahren ein wenig zerstritten. Val ist der Meinung, dass sie schuld ist, doch das stimmt nicht. Ich bin schuld, wie du vielleicht herausfinden wirst, wenn du all meine Sachen durchschaust. Wenn du eine Möglichkeit siehst, ihr alles zu erklären, dann wäre ich dir unendlich dankbar. Ich hätte es ihr schon viele Jahre zuvor gern selbst erklärt, aber ich habe jemandem ein Versprechen gegeben, das ich nicht brechen konnte. Vielleicht kannst du es aber.
Ich wünsche dir, dass du wie ich in diesem Haus alle Menschen antriffst, die du brauchst. Auch hoffe ich, dass du, wenn du diesen Brief hier liest, ausgeglichener und ruhiger bist als beim letzten Mal, als wir uns gesehen haben. Wenn alle Stricke reißen, wäre mein Rat – wenn du ihn denn hören willst –, mit den Hunden Gassi zu gehen. Selbst wenn du dabei keine passende Antwort finden solltest, hast du in dieser Zeit jemanden glücklich gemacht, was schon eine beachtliche Leistung ist, wenn man einmal über den eigenen Tellerrand hinausschaut.
Alles Liebe,
Dorothy
PS: Bitte kümmere dich gut um Gem. Er hat sich immer sehr gut um mich gekümmert.
Überrascht und erschöpft von dem unerwartet lebendigen Tonfall des Briefes ließ sich Rachel nach hinten auf das Bett fallen. Es fühlte sich an, als sei die jüngere Dot und nicht etwa die ältere Dame, die sie zu kennen geglaubt hatte, hier bei ihr und zwinkere ihr verschwörerisch zu. Geheimnisse? Wo? Und wie sollte sie diese herausfinden, geschweige denn verteilen wie die silbernen Haarbürsten?
An der Tür ertönte ein Kratzen, danach kam Gems Schnauze zum Vorschein, gefolgt vom Rest seines Körpers. Ohne Rachel anzuschauen, schlich er an ihre Seite und legte sich wenige Zentimeter von ihren Füßen entfernt hin.
Plötzlich fühlte sich Rachel in die Enge getrieben, und ihreGedanken fanden ein jähes Ende. Es kam ihr vor, als würde ihr auf Schritt und Tritt ein Kleinkind folgen. Sogar wenn sie nur kurz duschen ging, kratzte Gem an der Badezimmertür. Würde sie hier jemals einen Augenblick allein sein? »Was willst du denn jetzt schon wieder?«, blaffte sie Gem an, erinnerte sich dann jedoch wieder an Dots Bitte und bekam ein schlechtes Gewissen. »Hast du Hunger? Musst du nach draußen? Hast du Lust auf eine Runde Sudoku? Sag doch was!«
Gem hob den Kopf, gab aber keinen Ton von sich. Rachel schnalzte mit der Zunge und stand auf, um nach unten zu gehen. Lautlos und wie ein Schatten folgte er ihr.
Unten stellte Rachel erleichtert fest, dass Megan und George ins Büro im Zwingeranbau hinübergegangen waren. Die Küche war menschenleer. Rachel ging in die Hocke und griff in den hinteren Teil des Kühlschranks, wo sie hinter einigen klebrigen Marmeladengläsern vom Wohltätigkeitsbasar auf eine Butterdose stieß.
Misstrauisch holte Rachel die Dose heraus. Je länger sie darüber nachdachte, desto mehr klang es, als hätte Dot allmählich Alzheimer bekommen – eine Halskette in einer Butterdose? Ernsthaft?
In Erwartung eines Klumpens ranziger Butter öffnete sie die Haube, doch vor Überraschung riss sie die Augen auf.
In der Dose befand sich tatsächlich ein Collier aus feinsten Diamanten, das mit Saphiren so groß wie der Nagel ihres kleinen Fingers gespickt war. Fassungslos starrte sie auf das Collier und hielt dann die gut gekühlten Diamanten ans Fenster,
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