Herzensbrecher auf vier Pfoten
sodass kleine Lichtflecken über die mit Pfotenabdrücken übersäten Fliesen tanzten. Ihre schon länger nicht mehr manikürten Finger fühlten sich unwürdig an, etwas so Schönes zu halten. Sie legte sich das Collier um den Hals und keuchte, als sie die kalten Steine auf ihrer Haut spürte.
In der Ofenklappe betrachtete Rachel ihr Spiegelbild und schob am Hals das Haar beiseite, um das Collier in seiner ganzen Pracht sehen zu können. Edelsteine, die mehrere tausend Pfund wert waren, lagen um ihren Hals. Es war vollkommen unmöglich, irgendjemandem weiszumachen, das Collier würde ihr gehören – niemand würde ihr diese Lüge abkaufen. Sie war eine Minimalistin, und Oliver hatte stets nur Geschenke gemacht, die nicht zu ihm zurückverfolgt werden konnten: Blumen, Abendessen, Bargeld, »damit sie sich etwas Schönes gönnen konnte«. Dies hier jedoch war ein prächtiges, extravagantes Geschenk, ein Liebesbeweis par excellence; ein sündhaft teures Collier, um eine ebenso kostbare Person zu schmücken, geschenkt von einem entweder sehr großzügigen oder aber bis über beide Ohren verliebten Liebhaber.
Für gewöhnlich neigte Rachel zwar nicht zu Anfällen von Selbsterkenntnis, doch zum ersten Mal hätte sie sich für ihren Egoismus ohrfeigen können. Warum hatte sie nicht mehr Zeit mit ihrer Tante verbracht, um sich mit ihr zu unterhalten? Warum hatte sie keine Beziehung zu ihr aufgebaut, vor allem nach dem unbeholfenen, aber sehr tröstlichen und behaglichen Silvesterabend? Warum hatte sie so unbedacht und leichtfertig Vals Geschichte von der verrückten alten, verschmähten Hundemärtyrerin geschluckt? Und das sogar dann noch, als sie selbst alt genug gewesen war, um den eigentlichen Hintergrund zu entlarven – nämlich einen alten Familienzwist, der kein schönes Ende genommen hatte?
Dot war für Rachel, die in großer räumlicher Entfernung zu ihr aufgewachsen war, niemals eine wirklich reale Person gewesen; umgeben von ihren Hunden, war sie Rachel stets wie eine Figur in einem Buch vorgekommen. Jetzt erst erwachte Dot für sie zum Leben, und das mit beinahe schon bizarr anmutenden Parallelen zu Rachels eigenen Erfahrungen. Doch nun war es leider zu spät, Dot Fragen zu stellen.
»Verdammt«, schimpfte Rachel, und wie aufs Stichwort kam Gem lautlos hereingeschlichen und ließ sich neben dem Haken nieder, an dem seine Leine hing.
11
S ogar ohne die fünf verpassten Anrufe auf seinem Handy hätte Johnny gewusst, dass etwas nicht in Ordnung war. Als er nämlich um die Ecke bog und auf das Haus zulief, entdeckte er Natalies Mini in der Einfahrt.
Überrascht sah er ein zweites Mal hin und warf dann einen Blick auf die Uhr. Natalie war so gut wie nie vor sieben Uhr zu Hause, und bereits dies war in der Regel sehr früh. Es war zu einer Art Insiderwitz zwischen ihnen geworden, dass er in Wahrheit der treu sorgende Hausmann war, der das Abendessen auf den Tisch brachte, sobald Natalie nach den Abendnachrichten nach Hause kam und ihre Laptoptasche im Flur abstellte.
Johnny beschleunigte seinen Schritt. Obwohl Natalie mehrmals versucht hatte, ihn anzurufen (während des Unterrichts hatte er sein Handy abgeschaltet), hatte sie keine Nachricht hinterlassen. Vielleicht war dies ein gutes Zeichen. Vielleicht handelte es sich um nichts anderes als eine Aufforderung, schleunigst ins Schlafzimmer zu kommen. Laut seiner eigenen, recht vagen Berechnung (mit der er sich zeitlich an den Heimspielen von Birmingham City orientierte) steuerten sie allmählich den ersehnten »grünen« Bereich an. Vielleicht hatte Natalie früher Feierabend gemacht, um ihn an der Tür in ihrem beigen Regenmantel und der Unterwäsche zu empfangen, die er ihr letztes Jahr zum Geburtstag geschenkt hatte?
Vor einigen Monaten war diese ein echtes Highlight gewesen. Johnny lächelte, als er sich daran erinnerte, lockerte seine Krawatte und warf seine Umhängetasche über die andere Schulter. Mittlerweile würde es ihn nicht mehr wundern, wenn es Natalie gelingen sollte, ihren Eisprung auf die Minute genau zu bestimmen. Letzten Sommer hatte sie sich innerhalb der Zeit, die er gebraucht hatte, sich auch nur halbwegs den Namen ihres Hotels zu merken, den finnischen Basiswortschatz angeeignet.
Die Haustür stand offen, und von drinnen ertönte der Lärm des Staubsaugers.
Staubsaugen? Das sah Natalie überhaupt nicht ähnlich. Johnny runzelte besorgt die Stirn. Vielleicht war seine Mutter jetzt vollends durchgeknallt und bei ihnen ins Haus
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