Herzensbrecher: Roman (German Edition)
stets mit Abwesenheit geglänzt. Nur Zelda war immer da gewesen.
»Kann ich nicht behaupten«, antwortete sie mit wehmütigem Grinsen. »Letzte Nacht ist offenbar eine neue Ära angebrochen.«
»Die größte Pizza, die jemals von sechs halbwüchsigen Mädchen verdrückt wurde?«
»Nein«, widersprach Maxine mit ernster Stimme, aber einem Lächeln in den Augen. »Es war das erste Mal, dass eines meiner Kinder betrunken war.«
Zelda sah sie mit großen Augen an. »Sie wollen mich wohl auf den Arm nehmen?«
»Ganz und gar nicht. Ich habe in Daffys Kleiderschrank zwei leere Sixpacks Bier gefunden. Eine nette Überraschung sieht anders aus. Die Mädchen waren komplett angezogen eingeschlafen. ›Weggetreten‹ trifft es wohl eher.«
»Und Sie haben nichts gemerkt?« Zelda war überrascht, dass Daphne die Courage hatte, Alkohol zu trinken, wenn ihre Mutter zu Hause war. Genau wie Maxine war sie nicht begeistert. Es war der Beginn einer neuen Phase, auf die sich beide Frauen nicht unbedingt freuten. Jungs, Drogen, Sex und Alkohol. Willkommen im Teenageralter. Das Schlimmste stand sicher noch bevor.
»Ich musste letzte Nacht zu einem Patienten in die Klinik und war von elf bis eins außer Haus. Eines der Mädchen muss das Bier im Rucksack mitgebracht haben. Damit hatte ich nicht gerechnet.«
»Von nun an werden wir die Taschen inspizieren müssen«, antwortete Zelda nachdenklich. Sie würde nicht zulassen, dass sich ein Kind betrank, das unter ihrer Obhut stand. Und Maxine würde es genauso wenig dulden. Bevor sie sich’s versahen, würde es bei Jack ebenfalls losgehen und eines Tages auch bei Sam. Keine angenehme Vorstellung, aber Zelda würde sich davon nicht vertreiben lassen. Sie liebte diese Familie und ihre Arbeit.
Die beiden Frauen plauderten noch ein bisschen. Dann erklärte Maxine, dass sie ins Lenox Hill müsse, um nach ihrem Patienten zu sehen. Zelda hatte zwar frei, wollte aber zu Hause bleiben. Sie versicherte, ein Auge auf die Mädchen zu werfen, und verlieh ihrer Hoffnung Ausdruck, dass sie sich hundeelend fühlten, wenn sie aufwachten.
Maxine lachte. »Ich habe die Flaschen gut sichtbar auf die Kommode gestellt. Sie sollen ruhig merken, dass ich nicht so dumm bin, wie sie glauben.«
»Das wird ihnen einen mächtigen Schrecken einjagen«, stellte Zelda amüsiert fest.
»So soll es sein. Sie haben mein Vertrauen und meine Gastfreundschaft missbraucht.« Sie sah Zelda fragend an. »Ich laufe mich warm für meine Strafpredigt. Wie klinge ich?«
»Überzeugend. Hausarrest und Taschengeldentzug wären wohl angemessen.«
Maxine nickte. Sie und Zelda waren fast immer einer Meinung. Zelda war ein verständnisvoller Mensch, aber sie hatte Prinzipien. Und Maxine hatte vollstes Vertrauen in Zeldas Urteilsvermögen.
»Warum mussten Sie letzte Nacht denn fort? Ein Selbstmordversuch?«, fragte Zelda.
Maxine nickte mit ernster Miene.
»Wie alt?« Zelda hatte großen Respekt vor Maxines Arbeit.
»Sechzehn.« Maxine gab keine Details preis. Das tat sie grundsätzlich nicht. Doch Zelda brauchte sie nur anzuschauen, wenn ein Patient gestorben war. Zelda fühlte dann mit den Eltern. Es war schrecklich, wenn sich ein junger Mensch das Leben nahm. Allein in New York schien es viel zu viele Kinder zu geben, die es versuchten. Maxine hatte viel zu tun. Verglichen damit waren zwölf Flaschen Bier, die sich sechs dreizehnjährige Mädchen geteilt hatten, keine Tragödie.
Ein paar Minuten später verließ Maxine das Haus und ging zu Fuß das kurze Stück bis Lenox Hill. Es war windig und kalt, aber die Sonne schien, und es war ein wunderbarer Tag. Maxine dachte an ihre Tochter und deren Streich von letzter Nacht. Es brach wohl tatsächlich eine neue Ära an, und Maxine war froh über Zeldas Unterstützung. Sie würden Daphne und ihre Freundinnen im Auge behalten müssen. Wenn Blake wieder in der Stadt war, würde sie ihm davon erzählen, damit er Bescheid wusste. Vorerst konnte sie Daphne jedenfalls nicht mehr vertrauen. Kein angenehmer Gedanke. Alles war viel leichter, wenn Kinder in Sams Alter waren. Aber die Zeit verging schnell. Bald schon würden alle drei Teenager sein, jederzeit bereit, Unfug auszuhecken. Aber noch war es nicht so weit.
Jason saß aufrecht im Bett. Er sah mitgenommen aus und war blass. Seine Mutter saß auf einem Stuhl neben dem Bett und redete weinend auf ihn ein. Die Krankenschwester saß auf der anderen Seite des Bettes und bemühte sich wegzuhören. Als Maxine eintrat, blickten alle drei
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