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Herzensjunge

Titel: Herzensjunge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carmen Korn
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Klingt nicht einladend.
    »Verstehst du dich gut mit deinem Vater?«

    Jan nickt. »Geht so«, sagt er dann. Was denn nun? Doch ich hüte mich nachzuhaken. Will nicht schon wieder ins Fettnäpfchen. Wir schweigen eine Weile. Jan dreht sich ein bisschen auf dem Schreibtischstuhl und betrachtet mein Zimmer, bis sein Blick an dem Plakat von »Wie ein einziger Tag« hängen bleibt. Ich fange an, verlegen zu werden. Ob ihm auffällt, dass er Ryan Gosling ähnlich sieht? Dieses lange, schmale Gesicht. Das kantige Kinn. Die träumerischen Augen.
    »Den Film kenne ich nicht«, sagt er, »um was geht es?«
    Um die einzige wahre Liebe, die nie vergeht, will ich sagen. Ich hätte es mir sogar verkniffen, wenn nicht gerade mein großer Bruder und seine liebe Freundin ins Zimmer geplatzt wären.Wollen sie Aufpasser spielen?
    »Wir gehen noch was trinken«, sagt Andreas. »Kommt ihr mit?«
    Allein will er seine kleine Schwester wohl nicht in Jans Fängen lassen.
    »Ich habe nicht so viel Zeit«, sagt Jan.
    Innerlich seufze ich. Doch nach außen zaubere ich ein Lächeln auf meine Züge. »Zehn Minuten hast du doch noch?«, frage ich. Er kann doch unmöglich alles gesagt haben, was er sagen wollte.
    »Seid schön brav«, sagt mein blöder Bruder, ehe er die Tür schließt.
    Ich sollte Jan was zu trinken anbieten. Im Kühlschrank steht naturtrüber Apfelsaft, den Papa vom Markt mitgebracht hat.
    Jan will nichts trinken.Vielleicht trinkt er nur Coca-Cola. Vielleicht läuft auch nicht alles so ab, wie er sich
das vorgestellt hat. Das wird es sein. Er ist enttäuscht. Hatte ein ganz anderes Szenarium im Kopf von dieser Begegnung. Ob er Erfahrung hat mit Frauen?
    »Hattest du schon mal eine Freundin?«, höre ich mich fragen. Bin ich denn des Wahnsinns? Doch Jan bleibt gelassen.
    »Nicht so wirklich«, sagt er, »in Husum war ein Mädchen in meiner Klasse, mit dem ich mich ganz gut verstanden habe.«
    Husum also. Da kommt er her. Das ist nicht weit weg. Wenn es die große Liebe wäre, könnte er noch mit ihr zusammen sein. Sie könnten sich gegenseitig am Wochenende besuchen.Was denke ich denn da?
    »Und du?«, fragt Jan.
    Weiß er eigentlich, wie alt ich bin? Kann mir kaum vorstellen, dass Andreas ihm das nicht auf die Nase gebunden hat.
    »Nein«, sage ich. »Die Jungs in meiner Klasse sind kindisch.«
    Jan nickt und dann spricht er den entscheidenden Satz. Nein, er sagt nicht:Willst du mit mir gehen? Er sagt was viel Schöneres.
    »Du bist das erste Mädchen, zu dem ich einfach Vertrauen habe. Das habe ich von Anfang an gedacht.«
    Mir ist klar, dass er mir in diesem Moment ein Geschenk gemacht hat, das ich hüten muss. Ich schwöre, das tue ich.

22
    Ich höre Mama und Papa nach Hause kommen, die sich wundern, dass ich schon im Bett bin, obwohl ich eine sturmfreie Bude habe. Doch das ist die beste Möglichkeit, diesen Moment zu bewahren. Im Dunkeln zu liegen und ihn in meinem Herzen bewegen.
    Ich konnte keine Musik hören, nachdem Jan gegangen war. Fernsehen schon gar nicht. Höchstens ein paar Liebesgedichte hätte ich lesen können. Doch ich hatte gerade keine zur Hand.
    »Du hast ingwerfarbene Haare«, hat er gesagt und mir übers Haar gestrichen. Da standen wir schon an der Tür, um uns zu verabschieden.
    Ingwerfarben. Die Knolle, die in unserer Küche neben dem Knoblauch liegt, ist eher beige. Das ist nicht gerade schmeichelhaft. Doch dann fiel mir Ginger ein, die Katze unserer Nachbarin. Deren Fell ist von einem rötlichen Blond. Genau wie meine Haare es sind. Ginger ist das englische Wort für Ingwer.
    Die Lady of Shalott hat rote Haare. Doch auf die ist Jan nicht mehr zurückgekommen. Das tut er vielleicht wieder, wenn ich einen von Omas indischen Fummeln anhabe.
    Jan und ich haben eine Zukunft.Wir haben ein »uns« und ein »wir«. Und wir werden uns morgen Nachmittag im Bootsmann treffen, das ist ein Lokal am Goldbekkanal. Gar nicht weit von dem Schrebergarten, in dem Hanna und ich im Sommer gesessen haben.
    Erst dachte ich ans Balzac , als er mich fragte, ob wir uns für den Sonntagnachmittag verabreden wollen.
Doch das Balzac steht für Hanna und andere Freundinnen. Jetzt beginnt eine neue Epoche. Komisch, dass Hanna mich nicht gefragt hat, ob wir uns am Wochenende dort treffen wollen. Wäre doch noch viel zu erzählen. Vielleicht ist sie wieder ganz eng mit Kalli und hat ihm das ersoffene Handy verziehen und dass er keine Verantwortung übernehmen wollte für ihre Beziehung.
    Mama steckt den Kopf zur Tür hinein.

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