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Herzensjunge

Titel: Herzensjunge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carmen Korn
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nun auf meinem Bett und habe das Licht gelöscht und hoffe, dass mich keiner mehr anspricht.
    Hab ja auch allen Grund, todmüde zu sein, kurz vor Mitternacht.
    Okay. Eine totale Überreaktion.Was macht das schon, wenn Jan kommt, und ich bin nicht da.Vielleicht wollte er auch gar nicht mich sehen und hat nur Andreas besucht. Doch irgendwie liegen meine Nerven blank nach diesen Tagen.

    Die Tür geht auf. Mama will noch mal Gute Nacht sagen.
    »Bist du zu müde, um dich auszuziehen?«, fragt sie.
    »Mach ich noch«, sage ich.
    »Tu das mal. Sonst schläfst du gleich ein. Man fühlt sich am Morgen gar nicht wohl, wenn man in den Kleidern aufwacht.«
    Die Tür schließt sich, um kurz darauf wieder geöffnet zu werden.
    »Ich ziehe mich gleich aus und putze auch die Zähne«, sage ich.
    »Kann ich reinkommen?«, fragt mein großer Bruder. »Und mich einen Moment auf deine Bettkante setzen, Schwesterlein?«
    Ich rücke zur Seite. Andreas ist der Einzige, den ich jetzt aushalte.
    »War ja wohl nicht so der Bringer«, sagt er.
    »Was?«, frage ich und bin alarmiert.
    »Hanna suchen zu gehen, ohne hier was zu sagen.«
    »Kündigst du immer alles an?«, frage ich.
    »Ich bin ja auch schon groß und stark«, sagt Andreas. »Eigentlich komme ich in einer ganz anderen Mission. Jan war nämlich nicht hier, um mir in Sachen Kultur auf die Sprünge zu helfen. Er wollte zu dir.«
    Wenn Andreas gerade dabei ist, sich lustig über mich zu machen, töte ich ihn. Doch ich stoße noch keine Drohungen aus. Liege nur da.
    »Nun, Schwesterlein«, sagt Andreas, »sieht so aus, als ob er deine Gefühle erwidert. Doch ich halte meine Warnung trotzdem aufrecht.«
    »Wenn ihm was Schweres auf der Seele liegt, dann
liebe ich ihn umso mehr«, sage ich. Ich hab doch großes Vertrauen zu meinem Bruder, dass ich mein Innerstes vor ihm ausbreite.
    »Frauen haben wohl wirklich eine Schwäche für tragische Helden«, sagt Andreas. Er seufzt. »Da muss man nur an den Major von Tellheim denken.«
    Ist ja gut. Die Minna von Barnhelm haben wir auch schon in Deutsch durchgekakelt. Unser Klassenlehrer hat eine Schwäche für den ollen Lessing.Weiß gar nicht, warum Papa fürchtet, dass Andreas sich nicht genügend mit Kultur auseinandersetzt.
    »Warum ist Jan ein tragischer Held?«, frage ich.
    »Vergiss es«, sagt mein großer Bruder, »war nur dahergequatscht.«
    Andreas steht auf. »Du kannst dich auf mich verlassen, Schwesterlein«, sagt er, »ich stelle dir auch jeder Zeit eine Schulter zur Verfügung und lasse dich dich dort ausweinen.«
    »Was weißt du, was ich nicht weiß?«, frage ich.
    »Nichts«, sagt Andreas. Er schließt die Tür hinter sich.
    Ich liege da, und die Ungewissheit nagt an mir und hält mich so wach, dass ich doch noch aufstehe, um mich auszuziehen.

19
    Samstagvormittag. Papa ist mit Adrian auf den Markt gegangen. Andreas schläft noch. Ich trete an Mamas
Schreibtisch, um mich endlich mal um diesen Maler und die Lady of Dingsbums zu kümmern. Habe nicht damit gerechnet, dass Mama dort sitzt. Normalerweise erledigt sie samstags allen möglichen anderen Kram, und wir können endlich an ihren Computer - den einzigen, den unsere Familie besitzt.
    »Kann ich mal an deinen Computer?«, frage ich.
    Nichts gehört einem hier. Kein PC. Kein Handy. Ich bin arm.
    »Jetzt gerade nicht«, sagt Mama.
    »Schreibst du die Geschichte von dem Mann mit dem Kanu, der im Ärmelkanal verloren gegangen ist?«
    »Die ist fertig«, sagt Mama, »das ist was Neues.«
    Sie scheint völlig vertieft in das, was sie da tut. Und das am Samstag.
    Ich lümmele mich in den Sessel neben dem Schreibtisch.
    »Ich will nur kurz was bei Google nachgucken«, sage ich.
    »Gedulde dich, Antonia.«
    Das ist schon verschärft. Dass sie Antonia sagt statt Toni. Sie kann doch gar nicht wissen, dass ich vorgestern zur Antonia herangewachsen bin.
    Mama blickt auf. Hat wohl ihrem eigenen Ton nachgelauscht und ihn für nicht gut befunden.
    »Ich schreibe das Konzept für eine Serie. Bin bald fertig.«
    »Was denn für eine Serie?«, nöle ich.
    »Der Titel ist Die Wahre Geschichte . Geht um Tragödien.«
    Tragische Helden, denke ich.Worauf hat Andreas angespielt?

    »Darüber schreibst du doch dauernd.«
    »Das hier ist anders«, sagt Mama.
    Ich versuche, mich an Major Tellheim zu erinnern. Der hatte doch einen steifen Arm und eine Schande auf sich geladen und fand sich nicht mehr würdig und wollte der Minna von Barnhelm darum aus dem Weg gehen. Was hat das mit Jan zu tun? Ich

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