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Herzensjunge

Titel: Herzensjunge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carmen Korn
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die Klinke in der Hand und drehe mich um. Ich fürchte, er hat doch was gehört. »Männer dürfen alles essen, aber nicht alles wissen« ist auch ein Omaspruch. Nur dass ihr Sohn nicht mal alles isst.
    »Für Deutsch muss ich noch was lesen«, sage ich, »ist nur kurz. Das mache ich heute Abend im Bett.«
    Papa öffnet den Mund zur Erwiderung. Keine Frage, dass er wissen will, was das für ein Text ist und wie ich in Deutsch stehe.
    »Tschüs,Töchting«, sagt er, »hab es schön.«

    Das ist eine Überraschung. Ich lächle. »Du auch Papa«, sage ich.
    Ich springe die sechs Treppen hinunter. Klingt bescheuert, doch mir ist zumute, als habe Papa mir eben seinen Segen gegeben.

24
    Die Terrasse des Bootsmann liegt wie ausgestorben da. Die Holzstühle stehen zusammengeklappt an der Wand. Wind ist aufgekommen. Der graue Himmel treibt dunkle Wolken heran. Da legt kein Boot an und keiner steigt über den kleinen Steg zum Lokal. Keiner will draußen eine Schorle trinken oder ein Weizenbier und dabei auf den Kanal gucken. Bei gutem Wetter ist hier an den langen Holztischen kein Platz zu finden. Dann stehen die Leute Schlange.
    Ich gehe hinein. Es ist ziemlich leer. Jan sitzt an einem der Tische und hat ein Glas mit etwas Dunkelrotem vor sich stehen. Kiba vermutlich. Kirsch und Banane. Er hat die schwarze Strickmütze auf dem Kopf.
    Er steht auf, als ich auf ihn zukomme, und gibt mir einen Kuss auf die Wange. Lauter Leute, die ich kenne, tun das. Küsse auf Wangen geben. Ein, zwei Küsse. Die in Frankreich in den Ferien waren, küssen dreimal. Ich tue das auch, ein, zwei Küsse geben. Doch ich habe es selten bei einem Jungen getan und diesmal ist es ganz anders.
    »Du siehst schön aus«, sagt Jan, »dein Schal gefällt mir.«

    Ich darf nicht aufhören, Sachen von Oma anzuziehen. Immer dann sieht Jan mich ganz besonders lange an. Er guckt nicht, wie eng meine Jeans sitzen. Ich glaube, es interessiert ihn nicht einmal, ob ich geschminkt bin. Obwohl das Kajalpulver ja aus Omas Zauberkasten kommt.
    »Das Hellblau von deinem Pulli gefällt mir auch sehr«, sage ich.
    Wenn wir so weitermachen, können wir im nächsten Katalog von Hennes & Mauritz Sprechblasen volltexten.
    Ich bestelle kein Kiba. Die Jeans kneifen zu sehr. Ich sitze zwar hier schon mittendrin in meinem neuen Leben, doch das Projekt Elfe will ich nicht ganz aus den Augen verlieren. Die Lady of Shalott ist ja auch nicht gerade eine Kraftbrumme und die scheint Jan zu gefallen.
    Wir sind ein wenig wortlos. Ich gucke dem Glas Apfelschorle entgegen, das mir gebracht wird, und umklammere es, kaum dass das Glas auf dem Tisch steht. Dann sage ich das Dümmste, was mir einfallen kann.
    »Bin ich dir nicht zu jung?«
    Für was? Um hier zu sitzen und Schorle zu trinken? Mich von ihm küssen zu lassen? Mit ihm ins Bett zu gehen?
    »Du meinst, um meine Freundin zu sein?«, fragt Jan.
    Ich sterbe vor Verlegenheit. Schaffe es gerade noch zu nicken.
    »Du wirst im Januar vierzehn, nicht wahr?«
    Das weiß er also auch schon. Ich trinke einen Schluck Schorle, um nicht zu antworten. Doch ich stelle das Glas schnell hin. Ich bin zu zittrig.

    »Ich bin im September sechzehn geworden«, sagt er.
    Das ist ja noch gar nicht lange her. Ich atme aus.
    »Du bist ernsthafter als andere Mädchen in deinem Alter«, sagt Jan, »klingt arrogant, doch ich könnte nicht gut mit einer Kichertante wie der da drüben zusammen sein. Obwohl die wahrscheinlich älter ist, als du es bist. Wenigstens fünfzehn.«
    Kichert hier jemand? Ich schaue hoch. Zu dem Tisch hin, der an der gegenüberliegenden Wand steht. Ein Pärchen sitzt da. Das Mädchen knabbert gerade am Ohr des Jungen. Ja. Sie kichert. Sofern ein Kichern möglich ist, wenn man gerade ein Ohr zwischen den Zähnen hat.
    Ich habe das Mädchen noch nie gesehen. Doch den Jungen, den kenne ich. Das ist Kalli. Hannas Freund Kalli. Ich könnte mich empören. Obwohl ich gar nicht weiß, ob Hanna und er noch zusammen sind. Ich empöre mich nicht. Es gibt Dinge, die viel wichtiger sind. Jan und ich.
    »Ich wäre gern deine Freundin«, sage ich. Nun ist es raus.
    Jan lächelt und dann küsst er mich. Auf den Mund. Seine Lippen schmecken nach Kiba. Ein kleiner Kuss auf den Mund. Ich freue mich auf die größeren. Vielleicht sollte er dazu seine Mütze abnehmen und ich greife dann in seine Locken und halte sie ganz fest.
    »Aua«, sagt Kalli. Er sagt es laut und ist im ganzen Lokal zu hören.
    Hat sie zu sehr geknabbert? Fehlt ihm ein Ohr?
    Kalli sieht

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