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Herzensjunge

Titel: Herzensjunge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carmen Korn
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da öffnet sie sich auch schon, und Papa steckt den Kopf hinein.
    »Viertel vor sieben«, sagt er, »Zeit zum Aufstehen.«
    Es ist noch so still in der Wohnung. Nicht mal von Adrian ist was zu hören.
    »Müssen nur wir zwei aufstehen?«, frage ich.
    »Mama ist schon im Bad«, sagt Papa, »dein großer Bruder hat zur dritten Stunde Unterricht, und dein kleiner Bruder behauptet, Halsweh zu haben. Ich nehme an, dass er lieber gemütlich seine neue Petterson-Kassette hören will, statt in dieses Wetter hinauszugehen.«
    »Ist es so schlecht?«, frage ich.
    »Es schüttet«, sagt Papa, »zieh dich bitte dementsprechend an.«
    Er will sich schon zurückziehen, doch dann kommt er ins Zimmer.
    »Ich habe ganz vergessen, dir zu sagen, dass Andreas’
Freund Jan gestern für dich angerufen hat. Ich war ein wenig überrascht.«
    »Sollst du was ausrichten?«, frage ich, ohne auf Papas Überraschung einzugehen. Anscheinend hat er am Sonntag doch nicht mitbekommen, mit wem ich verabredet war.
    »Er wird sich wieder melden«, sagt Papa. Er platzt vor Neugierde. Das ist ihm deutlich anzumerken. Doch ich schweige zu diesem Thema.
    »Darf Adrian zu Hause bleiben?«, frage ich stattdessen.
    Papa grummelt. »Nur wenn er gurgelt«, sagt er. »Komm du jetzt mal aus dem Bett, und trinke Tee mit Honig, ehe du auch noch Halsweh kriegst. Die Kanne steht auf dem Herd und zieh dir was an die Füße.«
    Papa ist der beste Vater, doch auch als Ermahner ist er spitze. Es war nicht sehr komisch, in den ersten vier Jahren in die Schule zu gehen, in der er unterrichtet. Die Reaktionen meiner Mitschüler waren mitleidig bis entsetzt. Im besten Fall haben sie mit den Augen gerollt, wenn Papas Name fiel. Lehrers Tochter. Gott, oh Gott.
    Ich schlurfe ins Bad und schiebe Mama beiseite, die vor dem Spiegel steht und ihre Haare im Nacken zusammenfasst, um sie hochzuhalten. Sie wird sie gleich wieder fallen lassen und glatt bürsten, wie immer. Mama lächelt mir im Spiegel zu.
    »Wir wollen doch alle ein Glanz sein«, sagt sie.
    Ich bin überrascht. Eine merkwürdige Ansage für den Dienstagmorgen.Was ist los mit Mama?
    »Lass mich noch einen Moment allein im Bad«, sagt Mama, »Papa hat Tee gemacht.Tu dir ordentlich Honig hinein.«

    Irgendwie fängt dieser Tag an, anders zu werden. Ich trolle mich in die Küche und sehe Papa am Tisch sitzen. Er sieht sorgenvoll aus. Ich setze mich und greife zu meinem Keramikbecher, der dort schon steht.
    »Ist Honig drin?«, frage ich.
    »Rühr noch mal um«, sagt Papa und schiebt mir einen Löffel hin.
    »Machst du dir Sorgen um Oma?«, frage ich.
    »Auch«, sagt Papa. Das ist eine ungewöhnlich knappe Antwort für ihn. Gar nichts Belehrendes drin. Ich fasse mir ein Herz.
    »Ist was mit dir und Mama?«, frage ich.
    Papa guckt mich an und lächelt. »Wie kommst du denn darauf?«, fragt er.
    Ich hebe die Schultern. Eine ganz und gar nichtssagende Geste. Doch ich will keine schlafenden Hunde wecken.
    »Du bist noch sehr jung, Toni«, sagt Papa, »für vieles zu jung.« Er rührt in seiner Tasse, als müsse er Beton mischen und nicht zwei Löffel braunen Zucker im Tee verrühren. Ich ahne, wohin uns das Gespräch führen wird, doch ich schweige.
    »Weiß Jan das?«, fragt Papa.
    »Er weiß, dass ich im Januar vierzehn werde.Andreas hat ihm das untergejubelt. Ich habe Jan dann auch noch mal darauf hingewiesen, dass ich nachts noch am Schnuller lutsche«, sage ich und höre selbst den patzigen Ton. »Papa, was soll das? Wir haben an einem Nachmittag Kiba und Apfelschorle im Bootsmann getrunken. Das ist alles.«
    »Ich gebe zu, dass sich das nicht richtig schlimm anhört«, sagt Papa.

    »Jan ist auch gerade erst sechzehn geworden«, sage ich.
    »Sechzehn ist deutlich mehr als noch nicht vierzehn«, sagt Papa.
    Ich seufze. Oma kann mir heute Nachmittag sicher einen Rat geben, wie ich Papa an der Leine halte. Nicht dass er mich ständig kontrolliert.
    »Ich denke ja, dass du ein vernünftiges Mädchen bist«, sagt Papa.
    Bin ich das? Ich trinke einen Schluck Tee, der noch zu heiß ist, und stehe auf. Eine gute Viertelstunde, dann muss ich das Haus verlassen. Hoffentlich gibt es jetzt keinen Stau im Badezimmer.
    Was fürchtet Papa? Dass ich mit Jan schlafe und schwanger werde? Mich mit was Schrecklichem anstecke? Demnächst ins Gerede komme wie Hanna gerade?
    »Ich bin schon draußen«, sagt Mama, als ich ins Bad komme. Ihre langen dunkelblonden Haare sind zu einem losen Knoten gesteckt. Irgendwas geht hier vor.

29
    »Wovor

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