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Herzensjunge

Titel: Herzensjunge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carmen Korn
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von deinen Eltern holen.«
    Dann spielt sie das erste ihrer Lieblingslieder. Ich kenne sie alle.
    Oma hat mir die Beatles schon an der Wiege vorgesungen.

30
    Ich habe nicht mal eine Telefonnummer von Jan. Kann das denn sein? Don’t call us. We call you. Er hätte mir doch längst schon einen kleinen Steckbrief dalassen können. Lieblingsgericht. Lieblingsfarbe. Adresse. Telefonnummer. Fingerabdruck.
    Er könnte mich endlich seinem Vater vorstellen: »Das ist das Mädchen, das ich liebe, Papa.« Oder so ähnlich. Stopp,Antonia.Wie oft habt ihr euch gesehen? Dreimal. Wenn man die beiden Male aus der Ferne und im Vorübergehen nicht zählt. Man kann viel verderben in der Liebe, wenn man sie überstürzen will. Keine Weisheit von Oma. Darauf bin ich ganz alleine gekommen.
    Doch ich brenne darauf, Jan von Omas Angebot zu erzählen und ihn zu bitten, am Donnerstagnachmittag mit zu ihr zu gehen.
    Oma wohnt nicht weit entfernt von uns.Vier Haltestellen mit dem Bus.
    Von ihrer kleinen Dachterrasse aus kann man auf die Alster sehen. Dabei ist das Haus auf den ersten Blick
nicht schön wie unseres, das ein Altbau aus der Gründerzeit ist. Oma sagt, sie wohne »in einer Klinkerschnitte aus der Nachkriegszeit«.
    Ich bin noch nicht ganz aus der Klinkerschnittentür gegangen, da kommen mir die ersten Zweifel. Papa will bestimmt den Schlüssel zurückhaben, um nach der Post zu gucken und Oma Wäsche zu bringen. Und Jan? Hör mich schon, wie ich sage: »Stell dir mal vor, Jan, ich habe eine Wohnung für uns.« Ich überrumple ihn ja völlig.
    In der ersten Telefonzelle ist der Schlitz für die Karte mit Kaugummi verklebt. In der zweiten scheint alles in Ordnung. Einschieben. Wählen. Telefonieren. Vielleicht komme ich endlich mal zum Zuge.
    Ich habe Glück. Nicht nur dass es durchläutet, es ist Andreas, der das Gespräch entgegennimmt.
    »Hast du die Nummer nicht?«, fragt er.
    Ist das jetzt ein Zeichen von Jans Gleichgültigkeit? Doch ich gebe meinem großen Bruder keine Gelegenheit, lange zu überlegen, warum mir sein Freund Jan nicht längst die Telefonnummer gegeben hat.
    »Er ist ja immer zu mir gekommen«, sage ich.
    »Um nicht zu sagen, er hat dir die Bude eingerannt«, sagt Andreas und kann seinen Spott kaum verbergen. Doch er gibt mir die Nummer, und er verspricht auch, Mama und Papa zu sagen, dass ich gerade von Oma komme und nun noch dringend Sachen für die Schule besorgen muss.
    Ich lasse es lange läuten und will schon auflegen, als sich Jan meldet. Seine Stimme klingt, als habe er gerade geschlafen. Ich zögere, ihm von Oma zu erzählen. Habe
ich alles nur aufgebauscht und Jan wollte nur mal mit mir Kiba trinken und Händchen halten und ein bisschen küssen? Und ich tue so, als seien wir einander versprochen?
    Doch den Kuss hat er mir gegeben, als ich sagte, dass ich gerne seine Freundin wäre. Hat er das nicht mit diesem Kuss besiegelt? Und dann hat er »Danke« gesagt. Danke nein?
    »Kann ich dich kurz sprechen«, sage ich, »vielleicht bei dir?«
    Jan räuspert sich. Ich bin sicher, dass er ablehnen wird. Wappne mich schon, damit mein Herz nicht wehtut, als sei es ein oller Wischlappen, ins Wasser geworfen und dann ausgewrungen.
    »Kennst du die Adresse?«, fragt er und sagt sie mir. Gryphiusstraße.
    Nicht weit von uns, doch auch nicht nah. Ich werde mir einiges an Sachen für die Schule einfallen lassen müssen, die ich unbedingt brauchte und dann leider doch nicht gekriegt habe, obwohl ich von Laden zu Laden gelaufen bin.
    Ich steige in den Bus und bin sicher, gerade einen Fehler zu machen. Mir kommt der Titel eines Buches in den Sinn, das in Mamas Bücherschrank steht. »Vielleicht bin ich zu nah« heißt es.
    Ich fürchte, ich bin’s, die Jan die Bude einrennt. Aber ich kann nicht anders. Dieser Tag ist eine Achterbahn.

31
    Ein Haus wie unseres. Größer vielleicht. Winterhuder Gründerzeit.
    Der Junge, der gerade herauskommt, gibt mir die Tür in die Hand, und ich habe gar keine Gelegenheit, auf die Klingelschilder zu schauen. Wie lange wohnt Jan jetzt hier? Ein paar Wochen?
    Im ersten Stock werde ich schon fündig. Ein Zettel an der Tür. Computerausdruck. »Jens und Jan Torge«. Ob sie mal ein Schild hatten, auf dem alle drei Vornamen standen?
    Die Tür öffnet sich, kaum dass ich geklingelt habe. Jan sieht aus wie jemand, der Schmerzen hat. Das Gesicht verzogen. Eine Falte zwischen den Augenbrauen. Habe ich damit zu tun? Doch dann hat er wieder das Lächeln, das mir Gutes zu versprechen scheint.
    Ich

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