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Herzensjunge

Titel: Herzensjunge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carmen Korn
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schon Weihnachten. Wir haben nur diesen großen Tisch zum Essen. Das Zimmer, das hier im Haus als Esszimmer vorgesehen ist, hat Mama zum Arbeitszimmer gemacht.
    Doch die Küche ist groß genug und viel gemütlicher.
    Das Einzige, was mein Glück trübt, ist, dass ich gerade jetzt Jan so vermisse. Ich würde ihn gern mit diesem Essen verwöhnen. Er hat wirklich nur die karge Variante unserer Kochkunst kennengelernt.
    Wie es ihm gehen mag in Husum? Sitzen sie jetzt in dem großen Haus mit den hohen Glasfenstern und gucken auf die schwarze Nordsee?
    Der erste Prozesstag liegt hinter ihnen.
    Morgen wird Jan aussagen müssen.
    Ich schnappe mir das Telefon und ziehe mich in mein Zimmer zurück.
    Wähle Jans Handynummer. Nichts. Er ist nicht »available«.
    Die Türklingel lockt mich wieder hervor.
    Wie ich mich auf Oma freue.

81
    Löse ich einen Trend aus? Gestern trat mir Lola mit Baskenmütze entgegen, als ich die Tür zur Bibliothek öffnete. Heute kam ich in die Klasse und sehe Luisa eine Baskenmütze vom Kopf ziehen. Fehlt nur noch, dass Franziska morgen eine auf dem Kopf hat.

    Ich wusste gar nicht mehr, warum ich die Idee hatte, gerade diese Mütze zu kaufen, um mich vor der Winterkälte zu schützen. Es hätte doch auch eine schlichte schwarze Strickmütze sein können, wie Jan sie trägt. Partnerlook.
    Mir fiel es erst wieder ein, als ich heute Nachmittag die Deutscharbeit zum Thema Tennyson und die Präraffaeliten vorbereitete und das Kunstbuch von Jan aufschlug.
    »The Girl with the Black Beret«. Da war sie und guckte mich an. Aus der Mütze fluteten ihre rotblonden Haare. Keine Locken. Nein. Glatt bis zu den Schultern. Wie meine Haare. Ich bin beeinflussbar. Ohne Zweifel. Ich gucke in ein Buch und will eine bestimmte Sorte Mütze haben. Nur dass ich mich nicht mehr vom H & M -Katalog inspirieren lasse.
    In dieser Deutscharbeit werde ich brillieren. Wäre auch gut, schon einen Glanzpunkt zu setzen, denn für den Januar hat Hagen wieder Lessing angekündigt. Die »Minna von Barnhelm« fand ich nicht so prickelnd.
    Ich greife mal wieder zum Telefon und wähle Jans Handynummer.
    Kann die Stimme der Tante nicht mehr hören, die »not available« sagt.
    Spätestens am Abend wollte Jan wieder in Hamburg sein. Ich werde nachher die Nummer bei ihnen zu Hause versuchen. Will doch wissen, wie es mit seiner Aussage heute Vormittag ging. Andreas hat bei Lena nachgefragt, ob es noch einen Telefonanschluss im Husumer Haus gibt, doch Lena sagte, der existiere längst nicht mehr.

    Morgen ist Nikolausabend. Da werde ich Jan einen Stiefel mit Süßigkeiten vor die Tür stellen. Ich kann mir vorstellen, dass Jens Torge nicht daran denkt. Bei uns ist es auch Mama, die das macht.
    Jan will doch morgen wieder in der Schule sein. Das Konzert ist schon am kommenden Montag.
    Um neun Uhr kommt mein großer Bruder zu mir ins Zimmer und fragt, ob ich Jan erreicht hätte. Ich schüttele den Kopf. »Komisch«, sagt er.
    Dieses eine Wort von Andreas bringt mich aus der Fassung. Bisher habe ich mir eingeredet, dass alles in Ordnung ist und sie sich einfach nur Zeit gelassen haben in Husum.
    Ist Glatteis auf den Straßen in Schleswig-Holstein und sie kommen nur mühsam voran? Schnee vielleicht? Ich gehe in die Küche, wo das Radio läuft. Papa sitzt am Küchentisch und liest die Zeitung.
    »Nicht den Sender verstellen«, sagt er. Hört er denn überhaupt zu?
    »Hast du den Wetterbericht gehört?«, frage ich.
    »Trocken und sechs Grad«, sagt Papa, »der Schnee im November wird wohl die Ausnahme in diesem Winter bleiben.«
    »Nichts von überfrierender Nässe im Verkehrsfunk?«
    Papa schaut auf. »Warum? Du willst doch nicht noch vor die Tür?«
    Ich sage ihm, dass Jan längst aus Husum hätte zurück sein müssen.
    »Aus Husum?«, fragt Papa. »Hatte er keine Schule?«
    Eine typische Papa-Frage. Schule hat einen erschreckend hohen Stellenwert in seinem Leben.

    »Er hatte noch was auf einem Amt zu klären«, sage ich.
    Die Heimlichkeiten sollen zwar vorbei sein. Doch ich habe keine Lust, Papa zu erzählen, dass Jens Torge vor Gericht steht.Wer weiß, was das wieder für nervige Gespräche nach sich zieht. Dass der Vater meines Freundes wegen fahrlässiger Tötung angeklagt ist, stört ganz bestimmt Papas Ordnung.
    Um Viertel vor zehn steckt Andreas den Kopf bei mir zur Tür herein.
    »Liegt das Telefon bei dir?«, fragt er. Ich nicke.
    »Noch immer nichts?«
    »Nein«, sage ich und schicke einen tiefen Seufzer hinterher. Ich liege auf

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