Herzenskälte: Ein Fall für Leitner und Grohmann (German Edition)
hämmerte gegen die Metalltür. Immer noch nichts.
»Der Vogel scheint ausgeflogen zu sein. Lass uns den Hintereingang checken.«
Die Zufahrt zum Hinterhof lag zwischen dem Schlachthaus und der benachbarten Lagerhalle und führte an vernagelten Fenstern vorbei zu einem Tor, das den Zugang zu dem von einer hohen Mauer umgebenen Hof versperrte. Das Tor war mit einem neuen Schloss ausgestattet und ließ sich nicht öffnen.
Der Hinterhof sah, soweit sie ihn einsehen konnten, dunkel und verlassen aus. Niemand hatte Schnee geräumt, doch in der Zufahrt gab es zahlreiche Reifenspuren, die belegten, dass ein Auto mehrfach in den Hof hinein- und wieder hinausgefahren war.
Jennifer sah Oliver fragend an. »Und jetzt?«
Er zuckte die Schultern. »Wir warten. Zumindest bis wir etwas von Mironowa und Herzig oder der Streife hören, die nach Selina Fiedler sucht.«
Just in dem Moment begann Jennifers Handy zu brummen. Sie hatte es auf Vibrationsalarm gestellt. »Kramer«, sagte sie, bevor sie die Annahmetaste drückte. »Was gibt’s?«
Sie lauschte. Tiefe Falten gruben sich in ihre Stirn. »Gebt eine Fahndung nach ihr raus. Sicher ist sicher. Wir sehen uns später. Oh, und bringt ihren Bruder mit aufs Revier und setzt ihn in einen Verhörraum.« Die Kommissarin legte auf und sah Oliver mit sorgenvollem Blick an. »Selina Fiedler ist verschwunden.«
»Wie, verschwunden? Ist sie nicht zu Hause?«
»Nein, weder zu Hause noch in besagtem Keller. Ihr Handy ist tot. Sie hatte heute Abend einen heftigen Streit mit ihrem Bruder, seitdem ist sie verschwunden.«
»Vielleicht fährt sie nur in der Gegend herum.« Oliver klang selbst nicht überzeugt.
»Sie hat keinen Führerschein, und öffentliche Verkehrsmittel fahren um die Zeit so gut wie keine mehr. Thomas hat sowohl im Keller als auch bei ihr zu Hause Nachrichten für sie hinterlassen, falls sie wieder auftaucht.« Jennifers Blick verriet, was sie dachte. Sie glaubte nicht daran, dass Selina Fiedler wieder auftauchen würde, zumindest nicht lebendig. Ihr Blick wanderte durch die Zufahrt an der Gebäudeseite entlang und blieb an dem Tor vor ihr hängen.
»Du solltest gar nicht erst darüber nachdenken«, sagte Oliver, dem klar war, was in ihrem Kopf vorging. »Wir haben keinerlei Berechtigung …«
Jennifer hörte nicht auf ihn, sondern zog sich an den verrosteten Stäben hoch, kletterte die zwei Meter hinauf und schwang ein Bein auf die andere Seite. »Ich sehe mich nur ein wenig auf dem Gelände um. Versprochen.«
»Jennifer … du riskierst den kompletten Fall!«
Sie ließ sich auf der anderen Seite hinunter und kam beinahe geräuschlos im Schnee auf.
»Verdammte Scheiße!« Bevor er es sich anders überlegen konnte, kletterte Oliver ihr hinterher.
Jennifer hatte inzwischen eine kleine Taschenlampe hervorgeholt und ließ den Lichtstrahl über den Boden wandern. Es gab nicht nur Reifen- und Fußspuren, sondern auch zwei Stellen, an denen der Schnee gänzlich geschmolzen war, typische Vierecke, wie sie die Wärme von geparkten Autos hinterlässt. »Er war erst kürzlich hier«, flüsterte Jennifer.
Der Lichtkegel wanderte weiter durch den Hinterhof, der kaum genug Platz zum Rangieren eines Lkws bot.
Direkt neben dem Tor stand eine große Mülltonne. Jennifer hob den Deckel an und leuchtete hinein, sah aber nur durchsichtige Tüten, deren Inhalt nach normalem Hausmüll aussah. Immerhin ein Hinweis darauf, dass Jürgen Drach hier nicht nur sein Studio unterhielt, sondern tatsächlich auch hier lebte. Unzulässige Nutzung von Gewerberaum war zwar ein vergleichsweise geringfügiges Vergehen, würde ihnen aber immerhin einen Vorwand liefern, falls Drach auftauchte und wissen wollte, warum sie auf seinem Grundstück herumstöberten.
Jennifer orientierte sich an den Fußspuren im Schnee, die zu einem gut drei Meter breiten und drei Meter hohen Metalltor an der Gebäuderückseite führten. Offensichtlich hatte es einst einen elektronischen Öffnungsmechanismus gegeben, doch von dem ursprünglichen Bedienfeld war nur noch ein schwarzer Kasten übrig, aus dem abgerissene Kabel heraushingen. Es gab keinen Hebel, mit dem man das Tor manuell hätte öffnen kön nen.
Dicht gefolgt von Oliver ging sie weiter den Fußspuren im Schnee nach, bis sie fand, was sie eigentlich gesucht hatte: Wenige Meter neben dem Tor befand sich eine Tür, die verdächtig neu aussah. Sie war mit zwei Schlössern gesichert. Jennifer probierte die Klinke, aber erwartungsgemäß war
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