Herzenskälte: Ein Fall für Leitner und Grohmann (German Edition)
abgeschlossen.
»Es ist sinnlos. Wir brauchen einen Durchsuchungsbefehl«, sagte Oliver leise, aber bestimmt.
Jennifer ignorierte seinen Einwand, trat zwei Schritte zurück und begann die Umgebung um die Tür herum nach einem Versteck für einen Schlüssel abzuleuchten. Es mochte unwahrscheinlich sein, doch Drach wäre nicht der erste Kriminelle gewesen, der einen derart dämlichen Fehler beging.
»Jennifer, verdammt noch mal, das ist …« Oliver verstummte, als der Lichtkegel ihrer Taschenlampe auf etwas Reflektierendes traf und sie innehielt.
»Was ist das?« Oliver hockte sich hin, um den glänzenden Gegenstand aufzuheben. »Verdammter Mist«, murmelte er, als er aufstand und das Licht der Taschenlampe auf das Schmuckstück in seiner Hand fiel.
Es war ein Ohrring.
Larissa Schröders goldener, mit Diamanten besetzter Ohrring. Das Schmuckstück, das verlorengegangen war und von dem Oliver und Jennifer geglaubt hatten, die Kids in Offenbach hätten ihn vielleicht doch schon verkauft. Oder für sich behalten.
»Brauchst du immer noch eine Sondereinladung?«, fragte Jennifer.
Oliver schüttelte den Kopf. »Gefahr im Verzug.«
Trotz ihrer Anspannung konnte sich Jennifer ein Grinsen nicht verkneifen. »Das wollte ich hören.« Sie wählte Katias Nummer.
Die Kommissarin meldete sich nach dem zweiten Klingeln. »Wir haben noch nichts«, sagte sie sofort.
»Dafür haben wir einen Volltreffer. Ich brauche die Spurensicherung und Verstärkung, mindestens zwei Schupos, aber unauffällig. Keine Sirenen, kein Blaulicht. Und gib eine Fahndung nach Drach und seinem Transporter raus.« Jennifer legte auf, dann zog sie ihre Pistole.
»Wir könnten auf die Kavallerie warten«, warf Oliver ein, ohne es wirklich ernst zu meinen. Wenn Jürgen Drach Selina hier irgendwo in seiner Gewalt hatte, konnten zehn Minuten über Leben oder Tod entscheiden.
»Scheiß auf die Kavallerie.« Die Tür war solide, beide Schlösser waren neu. Doch zwei gezielte Schüsse lösten das Problem, und Jennifer zog die Tür auf. »Polizei!«, rief sie in den dunklen Flur.
Erwartungsgemäß erhielt sie jedoch keine Antwort.
Der Transporter schwankte, als er einstieg und sich neben Selina kniete. Das Licht seiner Taschenlampe blendete sie, sodass sie die Augen zusammenkniff. »Wach«, stellte er emotionslos fest, bevor er sie am Oberarm packte und auf den Rücken drehte.
Fast eine Minute lang hantierte er neben ihr. Sie hörte Klirren, das Gluckern einer Wasserflasche, Tabletten, die aus einem Blister gedrückt wurden. Ihr Herz schlug schnell, ihr Atem ging stoßweise und bildete sichtbare Wolken in der kalten Luft. Vor Angst war sie wie gelähmt. Selina wagte nicht, sich zu rühren, auch dann nicht, als er sich über sie beugte und ihr den Knebel aus dem Mund nahm.
Erst als er ein Bein über sie schwang, ihre Schulter mit dem Knie nach unten drückte und ihr einen Trichter zwischen die Lippen schob, versuchte sie sich zu wehren. Ihre Fesseln ließen jedoch nichts anderes zu, als dass sie sich unter ihm wand wie ein Fisch auf dem Trockenen. Sie konnte nichts gegen ihn ausrichten.
Selina versuchte die Spitze des Trichters mit der Zunge aus ihrem Mund zu schieben, doch seine linke Hand schloss sich wie eine Stahlkralle um ihr Kinn und hielt sie fest, während er den Inhalt einer kleinen Wasserflasche in den Trichter kippte. Es war nicht nur Wasser. Sie bemerkte den bitteren Geschmack von Medikamenten und spürte die sich auflösenden Brocken grob zerteilter Tabletten auf der Zunge.
Selina wollte nicht schlucken. Mit aller Anstrengung hielt sie dem Reflex stand, versuchte zu spucken, doch erneut kam er ihr zuvor. Er warf die Flasche beiseite, zog den Trichter aus ihrem Mund, und noch bevor sie den Kopf drehen oder die Muskeln anspannen konnte, stopfte er ihr den Knebel wieder in den Mund. Seine Finger schlossen sich um ihre Nase und drückten zu.
Sie konnte nicht mehr atmen. Fast augenblicklich verlangte ihr Körper verzweifelt nach Sauerstoff. Selina kämpfte gegen den Schluckreflex und das Brennen ihrer Lungen, verlor den Kampf aber schon nach wenigen Sekunden. Das Wasser und die Tabletten rannen ihre Kehle hinunter. Kaum hatte sie die bittere Mischung geschluckt, nahm er seine Hand weg, und kalte, süße Luft strömte durch ihre Nase in ihren Körper.
Er sah auf sie herunter, beobachtete sie, ohne auch nur die geringste Regung zu zeigen. Ihm schien die Anstrengung nichts auszumachen, sein Tun erregte ihn aber auch nicht. Er arbeitete wie
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