Herzenskälte: Ein Fall für Leitner und Grohmann (German Edition)
Stile, Muster und Farben. Alles eher praktisch als wohnlich. Auf dem Beton war laienhaft Teppichboden verlegt worden, die Wände waren gestrichen, und es gab Strom. Ein Heizlüfter in der Ecke ersetzte den fehlenden Heizkörper, war jedoch nicht eingeschaltet.
Selbst in diesem Raum war das Fenster mit Sperrholz verrammelt. Jürgen Drach mochte offenbar kein Tageslicht. Seine Kleidung lagerte in Kisten, nur zwei Anzüge hingen an einer Kleiderstange. Die Laken auf dem Bett waren zerwühlt und sahen nicht so aus, als ob sie oft gewaschen würden. Ein paar Bücher und Zeitschriften lagen herum, und auf einem Tisch stand ein Computer, ein älteres Modell, dessen Netzwerkkabel durch ein Loch im Gemäuer nach draußen verschwand. Neben dem Fenster stand eine große, graue Maschine, die Jennifer erst auf den zweiten Blick als professionellen Fotodrucker erkannte.
Zurück im Flur blieb Jennifer vor einer Tür stehen, die sich deutlich von den dunkelblauen Innentüren unterschied: ein stählernes Monster aus blankem Metall. Sie war ihr bereits zuvor aufgefallen, ebenso das leise Brummen, das aus dem Raum dahinter zu dringen schien.
Jennifer tauschte einen kurzen Blick mit Oliver, bevor sie die Tür nach innen aufstieß. Ein Schwall eiskalter Luft, vermischt mit dem Geruch von Reinigungs- und Desinfektionsmitteln, schlug ihnen entgegen.
Dieser Raum war deutlich größer als die anderen, er maß gut sechs mal vier Meter. Die Wände waren ebenfalls kahl, hier war der Boden allerdings weiß gefliest und fiel zur Mitte hin ab, wo sich ein Abfluss befand. Anstatt normaler Fenster waren knapp unterhalb der Decke zwei Reihen Glasbausteine in das Mauerwerk der Außenwand eingelassen.
An der linken Wand stand eine stählerne Liege, die große Ähnlichkeit mit einem Sektionstisch hatte. Auf einem Metallwagen daneben lagen unterschiedliche chirurgische Instrumente bereit, scharf und blank geputzt. In einem Holzregal standen Gefäße, die an Einmachgläser erinnerten, und weiße Kanister, auf denen deutlich sichtbar das Warnsymbol für Brandgefahr neben der chemischen Formel für Ethanol prangte.
Jennifer stieß hörbar die Luft aus. Oliver neben ihr murmelte einen undeutlichen Fluch. Die Kommissarin ließ ihren Blick weiter durch den Raum wandern.
In der hinteren linken Ecke befanden sich in der Außenmauer zwei Lüftungsgitter einer Klimaanlage, die nicht nur für das Brummen, sondern auch für die eisigen Temperaturen in diesem Raum verantwortlich sein musste. Direkt darunter war ein Waschbecken installiert, unter dem ein Putzeimer samt Lappen und Reinigungsmitteln stand. In einem Holzregal in der Nähe war eine beachtliche Anzahl verschiedenster Kosmetikprodukte aufgereiht. Gleich daneben fielen Jennifer zwei Kleiderständer ins Auge, die jeweils einem männlichen und einem weiblichen Körper nachempfunden waren. Auf einem Rollwagen in der hinteren rechten Ecke des Raumes lagen mehrere Rollen Garn, weiteres Nähmaterial und eine ansehnliche Sammlung von Sicherheitsnadeln.
Die gesamte rechte Wand war mit Kork verkleidet und übersät mit Unmengen von Fotos, Zeichnungen, Skizzen und Zeitungsartikeln, teilweise in mehreren Schichten übereinander gepinnt. An der Korkwand war ein Regal angebracht, und direkt darunter befand sich ein alter Tisch. Beides zusammen diente offenbar als eine Art Altar. Das Regal hatte genau zehn Fächer, von denen die drei obersten belegt waren: Neben einem schlicht gerahmten Foto des jeweiligen Opfers stand ein mit einer durchsichtigen Flüssigkeit gefülltes Glas.
Drei menschliche Herzen schwammen in Ethanol.
Jennifer und Oliver verharrten sekundenlang auf der Schwelle. Die Kommissarin riss sich schließlich als Erste von dem Anblick los. »Ich muss die anderen Räume noch überprüfen«, murmelte sie. Dieses Mal folgte ihr der Staatsanwalt nicht.
Die Kommissarin schaute gewissenhaft hinter die übrigen blauen Türen. Die Räume waren allesamt leer und offensichtlich ungenutzt. Der lange Flur endete im ehemaligen Empfangsbereich, erkennbar an dem noch existierenden Tresen direkt gegenüber der Eingangstür, die zur Straßenseite hin lag.
Als Jennifer zurückkehrte, stand Oliver vor der Korkwand und starrte konzentriert auf die Bilder, die Zeugnis davon ablegten, dass sie den Killer gefunden hatten. Jürgen Drach hatte seine zehn Opfer sorgfältig ausgewählt, über einen längeren Zeitraum beobachtet und ihren Tod nebst anschließender Verwandlung haarklein geplant. Über Wochen, wahrscheinlich
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