Herzenskälte: Ein Fall für Leitner und Grohmann (German Edition)
befürchtete Flut an Fragen blieb aus.
»Hm«, machte Hannah und klang ein klein wenig enttäuscht. »Das heißt dann wohl, ich werde nicht so bald von deinen legendären Kochkünsten profitieren.«
Da er mit Kauen beschäftigt war, konnte er ihr nur einen fragenden Blick zuwerfen.
»Mom sagt, es gab nur zwei Orte, an denen du echtes Talent gezeigt hast. In der Küche und im Bett.«
Oliver verschluckte sich beinahe an seinem letzten Bissen. Während er noch mit einem kurzen Hustenanfall kämpfte, beschloss er, die Bemerkung zu übergehen. »Wenigstens hat sie überhaupt etwas Positives über mich zu berichten.«
»Ja. Das ist allerdings auch das Einzige.«
Er wusch sich die Hände und widerstand dem Drang, Hannah zu fragen, was alles in dem Roman über seine negativen Eigenschaften stand, den seine Exfrau verfasst hatte. Dann setzte er sich ihr gegenüber an den Küchentisch. »Bevor wir über deinen Aufenthalt hier bei mir reden, möchte ich mich noch für gestern Nacht entschuldigen. Du hast mich mit deinem Auftauchen ziemlich überrascht und …«
»Fangen wir doch einfach noch mal bei null an«, schlug Hannah vor. Sie schien weitaus milder und versöhnlicher gestimmt zu sein als am Abend zuvor.
»Einverstanden.« Oliver überlegte, wie er das Thema angehen sollte. »Deine Entscheidung, bei mir wohnen zu wollen, erwischt mich ziemlich kalt, was du sicher nachvollziehen kannst. Ich weiß, dass du deine Gründe hast, auch wenn ich sie zugegebenermaßen nicht vollkommen verstehe, und ich bin mir auch nicht sicher, ob deine Entscheidung von Dauer sein wird … Aber ich akzeptiere sie. Allerdings müssen wir erst einmal ein paar Wochen oder Monate ausprobieren, ob es überhaupt funktioniert.«
»Du meinst eine Art Testphase«, stellte Hannah lächelnd fest und nickte. Sie versuchte offensichtlich, ihm nicht zu deutlich zu zeigen, dass sie sein Einlenken als persönlichen Sieg verbuchte. »Das klingt doch nach einer Vereinbarung. Und viel besser als ›Du fährst morgen mit dem ersten Zug zu deiner Mutter zurück!‹«
»Ja, sicher, aber du kannst trotzdem nicht einfach hierbleiben, Hannah. Zuerst müssen ein paar wichtige Dinge geregelt werden.«
Zu seiner Überraschung blieb sie ruhig und hob nur eine Augenbraue. »Und die wären?«
»Da wäre zum einen die Schule. Ein Wechsel vollzieht sich nicht von heute auf morgen.«
»Gutes Argument.« Hannah nickte bedächtig, bevor sich erneut ein Lächeln auf ihre Lippen stahl. »Ist aber bereits alles organisiert. Ich bin ab morgen vorerst per Besuchsregelung am hiesigen Gymnasium angemeldet.«
Oliver konnte sie nur verständnislos anstarren. »Wie das?«
Hannah seufzte, stand auf und verschwand kurz im Wohnzimmer, um eine Umhängetasche zu holen, die ihr vermutlich als Schultasche diente. Sie öffnete sie, nahm ein mehrseitiges Formular heraus und schob es ihrem Vater über den Tisch hinweg zu. »Alle Angaben sind vollständig, meine Schule hat bestätigt, Mom hat unterschrieben, fehlt nur noch deine Unterschrift.«
Oliver blickte auf das Formular hinunter. »Deine Mutter hat das unterschrieben?!«, fragte er zweifelnd, ohne in den Unterlagen zu blättern.
Hannah zögerte kurz, denn ihr war die Sprengkraft ihrer nächsten Worte sehr wohl bewusst. »Sie hat sich um alles gekümmert und selbstverständlich auch unterschrieben. Schließlich muss ich für unbestimmte Zeit zu meinem anderen Elternteil ziehen, weil sie mit der Pflege ihrer schwerkranken Mutter überfordert ist.«
Oliver wusste sofort, was das bedeutete. Seine ehemalige Schwiegermutter war bereits vor drei Jahren gestorben. »Du hast das alles in die Wege geleitet, indem du dich als deine Mutter ausgegeben hast?«, fragte er trotzdem ungläubig.
Hannah unterdrückte ein Schulterzucken. »Das Internet ist eine praktische Erfindung. Ich wusste schließlich von vorneherein, dass die Schule dein absolutes Totschlagargument sein würde.«
»Und du hast ihre Unterschrift gefälscht?«
»Das machen doch alle.«
Ein paar Sekunden lang sah er sie verblüfft an. »Das hier ist keine Fünf in Mathe, Hannah.« Er hielt das Formular in die Höhe. »Das ist Urkundenfälschung. Das ist kein …«
»Kavaliersdelikt«, unterbrach sie ihn. »Ich weiß. Ich habe mich vorher erkundigt, was mich möglicherweise erwarten könnte, falls mein Vater auf die Idee käme, sich seinem Amt allzu sehr verpflichtet zu fühlen.«
Oliver bekam den Mund nicht mehr zu. »Du rechnest ernsthaft damit, dass ich dich deswegen
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