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Herzenskälte: Ein Fall für Leitner und Grohmann (German Edition)

Herzenskälte: Ein Fall für Leitner und Grohmann (German Edition)

Titel: Herzenskälte: Ein Fall für Leitner und Grohmann (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Saskia Berwein
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anzeigen könnte?«
    »Wärest du nicht dazu verpflichtet?«
    Ihm fehlten die Worte. Er schloss kurz die Augen und atmete mehrmals tief durch. Eigentlich wollte er ihre Tat jetzt nicht einfach so stehenlassen, sie war aber kein geeignetes Thema, um ruhig zu bleiben. Ein weiterer Eintrag in die Liste der Dinge, die er mit ihr zu einem anderen Zeitpunkt klären musste, inklusive der Konsequenzen für sie. »Du hast dich also selbst um den Schulwechsel gekümmert. Und das gibt keine Probleme?«
    »Dasselbe Bundesland, außerdem haben wir gerade erst vorletzte Woche Halbjahreszeugnisse gekriegt«, erklärte Hannah. »Willst du es sehen?«
    »Äh … ja … Vielleicht … später.« Oliver war noch immer viel zu geschockt. Seine Tochter war schlau, unverfroren und fest entschlossen, ihre Interessen durchzusetzen. Wenn sie wirklich bei ihm bliebe, würde das alles andere als leicht werden.
    »Du solltest es dir aber ansehen.« Sie zog ein weiteres Dokument aus der Tasche und reichte es ihm. »Wir haben morgen früh unseren Antrittstermin bei der Rektorin.«
    »Ach, haben wir das?« Er nahm das Zeugnis und verkniff sich die Frage, ob sie vielleicht daran gedacht hatte, dass er wichtige Termine haben könnte. »Um wie viel Uhr?«
    »Viertel nach sieben. Ich habe dann gleich meinen ersten Schultag.«
    »Prima.« Er überflog das Zeugnis, ohne die einzelnen Noten wirklich wahrzunehmen. Er registrierte lediglich erleichtert, dass ihr Durchschnitt gut war. Er gab ihr das Zeugnis zurück. Hannah schien es nicht zu stören, dass er im Augenblick nicht in der Lage war, ihre Leistungen zu würdigen. »Ich nehme an, du weißt auch bereits, wie du zur Schule und zurück kommst.«
    »Bus oder Fahrrad, je nach Wetterlage. Ich brauche keinen Chauffeur.«
    »Okay.« Den hätte sie auch nur in absoluten Ausnahmefällen bekommen. »Das zweite Problem, das ich sehe, ist meine Wohnsituation«, sagte er schließlich. »Du siehst selbst, dass hier wenig Platz ist und du auf dem Sofa schlafen müsstest …«
    »Das macht mir nichts aus. Ich werde mich schon so einrichten, dass wir beide Platz im Wohnzimmer finden. Außerdem ist es ja nicht für lange, nur, bis wir eine größere Wohnung finden.«
    Diese Bemerkung entlockte Oliver ein kurzes Lachen. »Eine größere Wohnung. Und wer bezahlt die?«
    »Du«, erwiderte sie fröhlich. »Ich weiß, was du verdienst, und wenn mein Kindesunterhalt auf deinem Konto bleibt, ist genügend da für eine größere Wohnung und meine Verpflegung. Und sobald ich hier in Lemanshain gemeldet bin, können wir außerdem noch das Kindergeld ummelden.«
    »Du hast wirklich gut recherchiert.« Oliver schüttelte fassungslos den Kopf. Sie musste alle Unterlagen ihrer Mutter und das halbe Internet gewälzt haben. »Eine Frage hätte ich allerdings noch.«
    »Welche?«
    »Was ist mit deinen Freunden? Willst du sie einfach so zurücklassen? Nach Kassel fährt es sich nicht mal eben zwischendurch.«
    Hannahs Gesicht verdüsterte sich abrupt. Er hatte einen wunden Punkt getroffen. »An meiner alten Schule habe ich keine Freunde mehr«, antwortete sie lahm.
    Oliver hätte zu gerne gewusst, was passiert war, doch mit der Frage hätte er in diesem Augenblick wohl eine Grenze überschritten. Er versuchte so sanft wie möglich nachzuhaken. »Und was ist mit einem Freund?«
    »Aus und vorbei.« Was so viel hieß wie: Das geht dich nichts an.
    Sie saßen sich daraufhin fast eine ganze Minute schweigend gegenüber und versuchten dem Blick des anderen auszuweichen.
    »Also gut«, sagte Oliver schließlich. »Wenn es dein Wille ist und du mit meinem Sofa vorliebnehmen kannst, dann bleib. Unsere Testphase dauert zwei Monate, einverstanden?«
    Sie nickte. »Einverstanden.«
    »Du hast ja mitbekommen, dass ich gerade einen ziemlich komplizierten Fall habe, was heißt, dass ich mich nicht um dich kümmern kann.«
    »Ich brauche keine Nanny, Dad.«
    »Ich weiß. Das bedeutet aber auch, dass du viel Zeit allein hier verbringen wirst, und dafür gibt es ein paar Regeln: Du schwänzt nicht die Schule, du kümmerst dich um deine Hausaufgaben, du hinterlässt in der Wohnung weder Chaos noch Dreck, gibst keine wilden Partys und machst auch sonst keine Dummheiten.«
    Hannah verdrehte die Augen. »Das Mantra der verantwortungsbewussten Eltern. Dann muss ich jetzt wohl das Mantra der Gegenseite aufsagen: Meine Sachen sind tabu, keine Kontrollanrufe, kein Bemuttern, keine unsinnigen Verbote, keine peinlichen Auftritte vor Mitschülern oder

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