Herzenskälte: Ein Fall für Leitner und Grohmann (German Edition)
»Bist nicht eigentlich du derjenige, der im Fokus dieses Schmierfinks stehen sollte? Hast du wirklich geglaubt, dass du uns die Meute mit diesem durchsichtigen Juristengeschwafel vom Hals halten könntest?«
Ihre Kritik prallte an ihm ab. Nicht zuletzt, weil Jennifer nur zu gut wusste, dass das Juristengeschwafel nicht aus seiner, sondern aus der Feder seines Chefs stammte. Er fixierte sie, zwang sie, seinem Blick zu begegnen. »Dass er sich nicht auf mich eingeschossen hat, könnte daran liegen, dass ich ihm nicht den Mittelfinger gezeigt habe.«
Jennifers Augen verengten sich. »Woher weißt du das schon wieder?«
»Weil er dich wegen Beleidigung angezeigt hat. Daher.« Der Vorwurf in seiner Stimme war unüberhörbar.
»Der Typ hat mitten in der Nacht vor meiner Haustür auf mich gewartet«, erwiderte Jennifer grantig. »Da darf ich doch wohl ungehalten werden.«
»Nein, darfst du nicht«, stellte Oliver fest. »›Kein Kommentar‹ wäre vollkommen ausreichend gewesen.«
Jennifer rang um eine Antwort, hielt sich letztlich aber doch zurück. »Wann bekomme ich meine Vorladung von der Inquisition?«
»Ich habe die Sache in Absprache mit Möhring zu den Akten gelegt. Eigentlich hatte er vor, deswegen ein paar Takte mit dir zu reden, das wollte ich aber lieber selbst tun. Herrn Pohl habe ich mitteilen lassen, dass Aussage gegen Aussage steht und wir deshalb keine weiteren Schritte einleiten werden.« Oliver schüttelte den Kopf. »Deiner Reaktion nach zu urteilen, war das wohl ein Fehler.«
Jennifer antwortete nicht, sondern verschränkte lediglich die Arme vor der Brust. Wütend starrte sie ihn an, und ihre Körpersprache machte mehr als deutlich, dass sie nicht einknicken würde. Oliver hätte zu gerne gewusst, was in ihr vorging. So aber musste er sich auf sein Bauchgefühl verlassen, und das stand in diesem Moment ganz und gar nicht zu ihren Gunsten.
Trotzdem würde er ihr eine letzte Gnadenfrist einräumen, damit sie ihre Haltung überdenken konnte. Er hatte gerade entschieden, einfach zu gehen, ohne ihr mitzuteilen, was er als Nächstes zu tun beabsichtigte, als es klopfte. Oliver trat von der Tür zurück und öffnete sie.
Katia Mironowa stand mit einem Aktendeckel in der Hand im Flur und sah für ihre Verhältnisse überraschend verunsichert aus. Geschlossene Türen waren üblicherweise ein Zeichen dafür, dass die Kollegen in Ruhe arbeiten wollten. Sie sah von Grohmann zu Jennifer und wieder zurück. Die blonde Kommissarin erfasste sofort, dass sie zu einem ungünstigen Zeitpunkt gekommen war.
»Sorry, dass ich störe, aber wir wollten die Zeugenaussagen von Cedric Mattes’ Freunden und Bekannten durchgehen«, sagte sie fragend. »Ich kann auch später wiederkommen, wenn …«
Olivers Kopfschütteln unterbrach sie. »Wir sind hier fertig.« Er warf Jennifer einen letzten Blick zu, bevor er ihr Büro verließ.
11
Oliver war auf halbem Weg zu seinem Wagen, als er abrupt stehenblieb. Es war schon dunkel, und er hatte auf dem Parkplatz des Polizeipräsidiums ein Auto entdeckt, das er dort eigentlich nicht hatte sehen wollen. Jennifers VW stand an der üblichen Stelle.
Der Staatsanwalt warf einen Blick auf das Display seines Smartphones. Achtzehn Uhr fünfundzwanzig. Es war Mittwoch, der Tag, für den er einen pünktlichen Feierabend angeordnet hatte, damit die an den Ermittlungen Beteiligten endlich ihr Schlafdefizit ausgleichen konnten. So wie es aussah, hatten sich alle daran gehalten.
Außer Jennifer.
Der Anblick ihres Autos hätte ihn nicht überraschen sollen. Die Kommissarin hatte deutlich zu erkennen gegeben, dass sie nichts von seiner Anordnung hielt.
Einen Moment verharrte er an Ort und Stelle, unschlüssig, ob er ihre Entscheidung einfach akzeptieren oder ob er eingreifen sollte.
Die Ermittlungen traten nach wie vor auf der Stelle. Immer noch warteten sie auf Unterlagen und Informationen, die meisten von ihnen würden aber nicht vor Ende der Woche eintreffen. Sie hatten keine neuen Ansätze. Es gab keine heißen Spuren, die sie hätten verfolgen können. Jennifer konnte also höchstens die bekannten Informationen zum wiederholten Male durchgehen.
Nach ihrer Auseinandersetzung am Vortag hatten sie nur noch einmal kurz miteinander gesprochen. Oliver hatte keine Lust gehabt, erneut mit ihr zu diskutieren, außerdem hatte er entschieden genug davon, dass sie dauernd versuchte, ihren Kopf durchzusetzen.
»Ach, verdammt.« Oliver machte kehrt, betrat das Gebäude und stand keine fünf
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