Herzenskälte: Ein Fall für Leitner und Grohmann (German Edition)
esoterisch angehauchten Scheiße eine Hexenjagd loszutreten?!«
Freya Olsson zuckte nur hilflos die Schultern. Jedes Wort wäre möglicherweise zu viel gewesen.
»Wie hat sie reagiert?«, fragte Oliver und warf die Zeitung zurück auf den Tresen.
Die Büroassistentin wagte nicht, danach zu greifen. »Vollkommen gleichgültig. Eigentlich überhaupt nicht.«
»Keinerlei Anzeichen von Wut?«
»Nicht einmal ansatzweise«, erwiderte Freya.
Dann war es besonders schlimm. Olivers eigener Zorn verflüchtigte sich bei dem Gedanken, was passieren könnte, wenn sich Jennifers Wut zu einem ungünstigen Zeitpunkt entlud. »Nicht gut.«
Freya nickte. Sie war derselben Meinung. »Sie ist in ihrem Büro.«
Wenn er ehrlich war, hätte er sich diesen Gang lieber erspart. Er hatte aber keine andere Wahl, als Jennifer aufzusuchen.
Die Kommissarin war tatsächlich die Ruhe selbst. Sie saß an ihrem Schreibtisch und blickte nur kurz auf, als er eintrat, die Tür hinter sich schloss und sich von innen dagegen lehnte. Das offensichtliche Zeichen ignorierend, ging sie direkt zur Tagesordnung über. »Von unserer Seite aus gibt es nichts wirklich Neues. Morpheus hat angerufen. Bisher konnte er keinerlei Verbindung zwischen Larissa Schröder und Cedric Mattes finden, er meinte aber, er hätte noch ein paar Asse im Ärmel. Was auch immer das heißt. Keine Neuigkeiten von der Spurensicherung, keine neuen Erkenntnisse seitens des Doktors. Ich brauche zwei Durchsuchungsbefehle für …«
Oliver hatte genug gehört. »Gut«, unterbrach er sie. »Schick die Daten rüber. Ich kümmere mich darum.«
Normalerweise hätte sie ihn überrascht angesehen und gefragt, ob er denn überhaupt nicht wissen wolle, worum es bei den Gerichtsbeschlüssen ging. Doch sie zog es vor, ihn und vor allem die geschlossene Tür in seinem Rücken weiterhin zu ignorieren.
Oliver beobachtete sie dabei, wie sie sich wieder der Akte auf ihrem Schreibtisch zuwandte. Wenn er etwas nicht ausstehen konnte, dann ihre sture Art des Verdrängens. Sie sollte wissen, dass er sie zumindest diesmal nicht damit durchkommen lassen würde. »Willst du gar nichts sagen?«, fragte er schließlich.
»Wozu?«
Sein Aufstöhnen klang eher resigniert als verärgert. »Wozu wohl?«
Jennifer zuckte die Schultern. Dass sie ihn noch immer nicht ansah, sagte bereits genug. »Ich habe nichts dazu zu sagen.«
Inzwischen hatte er ein recht gutes Gespür für die Launen der Kommissarin. Es herrschte trügerische Ruhe vor dem Sturm. Die Frage war nur, wann er losbrechen würde. »Vielleicht solltest du nach Hause fahren, um etwas Abstand zu gewinnen.«
»Wieso?« Sie warf ihm einen flüchtigen Blick zu. »Es ist alles in Ordnung. Ich bin absolut cool.«
Das hatte er heute schon einmal gehört. Und sowohl bei Jennifer als auch bei Hannah war er ziemlich sicher, dass sich wesentlich mehr hinter der ruhigen Fassade verbarg. »Genau das macht mir Sorgen.«
Endlich sah sie ihn an. Er konnte den Ausdruck in ihren Augen jedoch nicht deuten. War sie überrascht? Verärgert? Keins von beidem? »Ich soll also von zu Hause aus arbeiten?«
Er biss die Zähne zusammen. Es fiel ihm erstaunlich schwer, Ruhe zu bewahren. »Du weißt, worauf ich hinauswill. Du sollst dir den Tag freinehmen.«
»Du hast uns doch schon morgen einen freien Abend verordnet.« Sie machte keinen Hehl daraus, dass sie von der einen Weisung ebenso wenig hielt wie von der anderen.
Oliver verschränkte die Arme vor der Brust. »Du solltest wirklich gehen.«
»Du kannst mich nicht nach Hause schicken«, stellte Jennifer trocken fest.
Er nickte. »Das mag sein. Aber Möhring kann es. Ein Anruf genügt.«
Jennifer schüttelte den Kopf. »Das wirst du nicht tun. Du brauchst mich hier.«
»Gerade deshalb will ich, dass du dir den Tag freinimmst und dich im besten Fall irgendwie abreagierst.«
Einen kurzen Moment lang sah sie ihn nur an. »Was erwartest du eigentlich von mir?«, fragte sie schließlich. »Dass ich wegen dieses dämlichen Artikels ausraste, alles zusammenbrülle oder die Büroeinrichtung zertrümmere?«
»Tausendmal besser, als ihm die Knochen zu brechen.«
»Interessant, wozu ich deiner Meinung nach fähig bin.« In ihren Augen lag ein Glitzern, das eher dazu geeignet war, seine Aussage zu unterstreichen, als das Gegenteil zu beweisen. Das Telefon auf ihrem Schreibtisch begann zu klingeln, sie schaute jedoch nicht einmal auf das Display. Fünfmal hallte der Ton durch den Raum, dann trat wieder Stille ein.
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