Herzensruhe
zu verdienen, die Zukunft abzusichern, den Besitz zu mehren, damit wir endlich einmal ruhig und sicher leben können.
Jesus versteht den Menschen anders. Der Mensch ist nicht zuerst einer, der sich sorgt, sondern einer, der vertraut, der sich im Vertrauen zum Vater, der für ihn sorgt, aufgehoben weiß. In der Bergpredigt fordert Jesus seine Jünger auf, sich nicht zu sorgen:
„Sorgt euch nicht um euer Leben und darum, daß ihr etwas zu essen habt, noch um euren Leib und darum, daß ihr etwas anzuziehen habt... Wer von euc h kann mit all seiner Sorge sein Leben auch nur um eine kleine Zeitspanne verlängern?“ (Mt 6,25.27).
Wohl kaum ein anderer Text hat soviel Kritik hervorgerufen wie das Lehrgedicht Jesu von der Sorge. Es sei unverantwortlich, nicht für das Morgen zu sorgen. Ernst Bloch meint, der Text zeige die ökonomische Naivität des Christentums. Die messalianischen Mönche haben diesen Text als Rechtfertigung für ihre Ablehnung der Arbeit genommen.
Demgegenüber haben die Mönche in der Nachfolge des Antonios die Arbeit als wesentlichen Teil des geistlichen Lebens gesehen. Was will Jesus mit dieser Aufforderung, uns nicht zu sorgen, uns heute sagen? Rechtfertigt er den alternativen Lebensstil, der dem Bürgertum einen übertriebenen Arbeitsbegriff und eine falsche Rechtfertigung des Besitzes vorwirft? Wie Jesu Worte eine Antwort auf die unruhestiftende Sorge sein kann, die uns heute umtreibt, zeigt ein genauer Blick auf das, was dasteht.
Das griechische Wort für Sorge „merimna“ meint das sorgende oder besorgende Sichkümmern um etwas, das Aussein auf etwas, die bange Erwartung von etwas, die Angst vor etwas.
Oft hat es auch die Färbung von Bekümmernis, Leid über etwas.
Die Griechen sprechen von den quälenden und plagenden
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Sorgen, denen der Mensch unterworfen ist. Seine Sorge hat immer mit der Angst zu tun. Sie ist Handeln aus Angst,
„praktizierte Angst ums Dasein“ (Ulrich Luz). Dieses ängstliche Sichsorgen hat Jesus in seinem Lehrgedicht im Sinn. Und er gibt mit zwei Bildern eine Antwort. Mit dem Bild der Vögel, die nicht säen und ernten, hat er die Arbeit des Mannes im Blick.
Mit dem Bild der Feldblumen, die nicht spinnen, antwortet er auf die typische Arbeit der Frauen. Beide Arbeiten sind gut.
Aber der Mensch kann sich in seine Arbeit hineinsteigern. Statt im Vertrauen auf Gottes Fürsorge zu arbeiten, meint der Mensch voller Angst, alles hänge von ihm ab. Es ist letztlich die Angst, zu kurz zu kommen, nicht genügend zu haben, die ihn umtreibt.
Diese Angst verfälscht seine Arbeit. Sie hindert ihn daran, Freude an seiner Arbeit zu haben, voller Lust kreativ zu sein.
Arbeit wird dann nur noch zum Ausdruck von Sorge und Angst.
Sie treibt den Menschen um und hält ihn in dauernder Unruhe.
Es ist verständlich, daß der Mensch sich ängstlich um sein Leben und seine Zukunft sorgt. Denn sein Dasein in dieser Welt ist gefährdet. Aber die Ungesichertheit seiner Existenz soll ihn nicht in die ängstliche Sorge treiben, sondern in das Vertrauen darauf, daß Gott selbst für ihn sorgt. Jesus mag diese Worte an seine Jünger gerichtet haben, die die Arbeit aufgegeben haben und nun als Wanderprediger ihr Vertrauen auf Gott setzen sollen. Aber schon Matthäus übersetzt diese Worte in die Situation der Gemeinde. Es sind Worte, die uns heute genauso gelten wie damals. Auch für uns gilt der Grundsatz: „Euch aber muß es zuerst um sein Reich und um seine Gerechtigkeit gehen; dann wird euch alles andere dazugegeben“ (Mt 6,33). Es geht nicht darum, meine irdische Existenz nicht sinnvoll und verantwortungsvoll zu planen und auch eine gewisse Vorsorge und Absicherung zu schaffen. Aber die Frage ist, worum es mir im Letzten geht. Wenn ich nur um mich und meine Angst kreise, wird mein ganzes Leben von der Sorge aufgefressen, und ich werde voller Unruhe nach immer neuen Wegen der Absicherung
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Ausschau halten. Der Blick auf das Reich Gottes relativiert meine Sorge. Ich kann mich noch so gegen Diebstahl versichern.
Ich kann ihn damit doch nicht verhindern. Ich kann noch soviel in die Lebensversicherung einzahlen. Ich kann damit mein Leben nicht verlängern. Ich habe keine Garantie auf ein gesundes Leben und hohes Alter. Ich bin in Gottes Hand. Das Entscheidende ist, daß Gottes Reich kommt, daß Gott auch in mir herrscht. Wenn Gott in mir herrscht, dann werde ich frei von quälender Sorge, dann befreit mich Gott von den Götzen dieser Welt, an die ich mich ängstlich
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