Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herzensruhe

Herzensruhe

Titel: Herzensruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anselm Gruen
Vom Netzwerk:
aufgefressen. Sie laufen ständig mit einem schlechten Gewissen herum, die Erwartungen nicht zu erfüllen, denen sie sich ausgesetzt fühlen. Manchmal meinen sie allerdings auch nur, daß das oder jenes von ihnen erwartet wird. Letztlich sind es dann die eigenen Erwartungen an sich selbst. Diese Erwartungen entspringen dem Über-Ich. Im Über-Ich haben sich die Stimmen der Eltern verinnerlicht. Da taucht in uns immer wieder die Stimme auf, die uns schon als Kinder unter Druck gesetzt hat: „Sei anständig. Leiste etwas. Sei erfolgreich. Laß dich nicht hängen. Du darfst nicht auffallen.
    Mache es allen recht. Geh allen Konflikten aus dem Weg. Gib immer nach!“ Solche inneren Befehle lassen uns nie zur Ruhe kommen. Ich kenne Menschen, die sich nicht trauen, einmal eine Pause zu machen. Zu laut ist in ihnen die Stimme ihrer
    -39-

    Eltern, daß nur der Faulenzer Zeit habe, um Urlaub zu machen.
    Zum Menschsein gehöre es, immer zu arbeiten, sich immer zu beschäftigen. Ich höre diese Klagen von Hausfrauen, die sich nicht trauen, die Arbeit einmal liegen zu lassen, um ein Buch zu lesen. Da taucht sofort das schlechte Gewissen auf, daß man den Haushalt verschlampen lasse. Ich höre diese Klagen von Ordensfrauen. Eine Schwester erzählte mir, sie sei immer in der letzten Minute zum Gottesdienst gekommen, sonst könnte doch der Eindruck entstehen, daß sie nicht genügend arbeite. Und das war offensichtlich das Schlimmste, was sie sich ausdenken konnte. Der Antreiber, immer zu arbeiten, war in ihr so laut, daß sie sich selbst im Gebet nicht fallen lassen konnte.
    Die Erwartungen, die wir an uns selbst haben, sind wohl die größten Antreiber, die uns nie zur Ruhe kommen lassen. Wir erwarten von uns, daß wir perfekt sind, daß wir die Probleme im Beruf oder in der Familie in Griff bekommen. Doch wenn sich gerade die Probleme mit den Kindern nicht einfach mit dem Willen lösen lassen, geraten wir in Panik. Wir fühlen uns als Versager. Wir haben Angst, vor andern zugeben zu müssen, daß unsere Kinder nicht so ideal sind, wie wir das gerne hätten.
    Unsere eigene Unruhe verbreiten wir dann auch in den Kindern.
    Anstatt ihnen zu helfen, machen wir sie erst recht nervös. Je mehr wir aus Angst vor unserem eigenen Versagen gute Leistungen von ihnen erwarten, desto weniger können sie sie erbringen. Es entsteht ein Teufelskreis von zu hohen Erwartungen und Enttäuschungen. Die Kinder spüren, daß wir in Panik geraten, wenn sie schlechte Noten heimbringen. Wir können sie nicht aufbauen und ihnen Mut machen. Alle Versuche, ihnen zu helfen, werden scheitern, weil sie unsere eigene Angst und Unruhe erkennen. Dann wissen sie überhaupt nicht mehr, was sie eigentlich tun sollten. Sie möchten bessere Leistungen erzielen, aber unsere Panik überträgt sich so auf sie, daß sie bei der nächsten Schulaufgabe ratlos davor sitzen und alles Erlernte vergessen.
    -40-

    Wir erwarten auch von uns, daß wir unsere Gefühle immer im Griff haben, daß wir immer funktionieren, daß wir unsere Probleme lösen können. Wenn uns die eigenen Emotionen daran hindern, so reibungslos zu funktionieren, werden wir unruhig und überlegen, wie wir uns wieder in Griff bekommen könnten.
    Statt unsere Gefühle anzuschauen und sie zu befragen, unterdrücken wir sie, damit wir ja. nach außen hin als sicher erscheinen. Doch je mehr wir unterdrücken, desto unruhiger wird es in uns. Wir können unsere Probleme nicht zulassen, weil sie unser Selbstbild zerstören. So müssen wir sie unter Verschluß halten und erzeugen in uns einen beständigen Unruheherd. Er würde nur dann zur Ruhe kommen, wenn wir anschauen, was da unter dem Deckel brodelt, wenn wir nicht bewerten, was wir da sehen, sondern uns damit aussöhnen und es annehmen. Nur durch einen liebevollen Blick läßt sich Unruhe beruhigen. Wenn wir etwas mit Gewalt unter Kontrolle bringen wollen, nützt es nichts.
    Die vielen psychischen Ursachen für die Ruhelosigkeit des Menschen zeigen, daß die Unruhe nicht allein durch äußere Veränderungen hergestellt werden kann. Nur wer sich in aller Ruhe seiner Unruhe stellt, die Ursachen anschaut und nach Wegen sucht, mit sich selbst in Einklang zu kommen, wird die Ruhe finden, nach der er sich sehnt. Die Unruhe des einzelnen überträgt sich auf die Familie, auf die Firma, auf die Gemeinde, auf die Gesellschaft. Es ist daher kein Luxus, sich der inneren Unruhe zu stellen. Es hat auch Auswirkungen auf die Gesellschaft. Nur wer in sich ruht, kann sich gegen

Weitere Kostenlose Bücher