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Herzensruhe

Herzensruhe

Titel: Herzensruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anselm Gruen
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seinen Sinn. Statt sich gegen das Wachliegen aufzulehnen, könnte es helfen, aufzustehen, etwas zu lesen, bis man müde ist. Dann kann man wieder schlafen.
    Andere fangen an, zu beten oder darüber nachzudenken, was Gott ihnen sagen möchte. Andere beten dann für ihre Verwandten und Freunde. Dann bekommt ihr Wachsein einen Sinn. Und ohne daß sie es merken, schlafen sie darüber wieder ein.
    Loslassen hat mit Vertrauen zu tun. Ich kann meine Arbeit loslassen, weil ich darauf vertraue, daß Gott alles zum Besten führt. Wenn ich mir abends den Kopf zerbreche, ob ich bei der Geldanlage richtig entschieden habe, ob der Dollar und die
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    Aktien sich doch vielleicht anders entwickeln könnten, als ich es eingeschätzt habe, dann hilft mir das keinen Schritt weiter. Im Gegenteil. Ich werde nicht einschlafen können. Vielleicht liege ich die ganze Nacht wach, ohne etwas ändern zu können. Ich sage mir dann immer vor: die Tatsache, daß ich jetzt über den Dollar nachdenke, ändert seinen Kurs auch nicht. Deshalb kann ich das Nachdenken auch sein lassen. Jeder, der Verantwortung für andere trägt, muß Entscheidungen treffen, die viele Menschen berühren. Manche grübeln dann noch lange nach, ob diese Entscheidungen richtig waren. Sie meinen es durchaus gut.
    Sie sorgen sich um die Menschen. Aber vor lauter Sorge um die andern vernachlässigen sie die Sorge um sich und ihren inneren Frieden. Ich muß meine Entscheidungen richtig überlegen und sie behutsam treffen. Aber wenn sie getroffen sind, muß ich es Gott überlassen, was er damit macht. Gott kann sogar aus Entscheidungen, die vielleicht nicht so optimal waren, noch etwas Gutes schaffen. Wenn ich meine Arbeit und meine Entscheidungen Gott übergeben kann, dann kann ich ruhig schlafen.
    Manchmal liegt die Ursache für die Unruhe und für die Schlaflosigkeit noch tiefer. Meine Unruhe zwingt mich, alte unerledigte Sachen anzuschauen. Vielleicht melden sich verdrängte Bedürfnisse zu Wort. Oder es tauchen alte Verletzungen auf, die einmal angeschaut werden möchten. Ich habe vieles in meinem Leben übersprungen, was mich jetzt einholt. Viele, die über ihre ständige Unruhe klagen, wissen nicht, was sie anschauen sollen. Und oft genug wird es auch für den Begleiter noch nicht sichtbar, was da bearbeitet werden möchte. Dann ist es gut, mit der eigenen Unruhe ins Gespräch zu kommen: Was willst du mir sagen? Wohin treibst du mich?
    Auf was möchtest du mich hinweisen? Was bewegt sich da in mir? Manchmal kommen dann auf einmal Bilder hoch, Erinnerungen aus der Kindheit, die einen mit Wut oder Traurigkeit erfüllen. Da hat eine Frau noch nie länger darüber
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    nachgedacht, daß ihr Vater sie für sich und seine Bedürfnisse benutzt hat. Da hat ein Mann sich noch nie der Tatsache gestellt, daß er sich immer nur angepaßt hat und immer nur der brave Junge sein wollte. Jetzt rebelliert etwas in ihm gegen diese altgewohnte Rolle. Er kann es noch nicht richtig formulieren.
    Aber in seiner Unruhe spürt er, daß etwas anders werden möchte. Dann soll er dankbar sein für die Unruhe. Sie lädt ihn ein, sein Leben genauer unter die Lupe zu nehmen und unerledigte Sachen zu bearbeiten.
    Manchmal zeigt die Unruhe auch, daß die Situation, in der man gerade lebt, geändert werden müßte. Man weiß nicht, was einen da eigentlich so umtreibt. Aber bei näherem Hinschauen entdeckt man, daß der Beruf auf Dauer nicht der richtige ist, daß man aus der Firma aussteigen oder zumindest auf eine Veränderung drängen müßte. Oder die Situation in der Familie kann so nicht weitergehen. Die Weichen müssen anders gestellt werden. Man müßte die Probleme in der Ehe oder die Schwierigkeiten mit den Kindern endlich einmal ansprechen.
    Man möchte den Problemen am liebsten aus dem Weg gehen und hat das vielleicht jahrelang getan. Aber die quälende Unruhe läßt das nicht mehr zu. Sie zwingt uns, der Wahrheit ins Auge zu sehen. Ein anderer entdeckt als Grund für seine Unruhe, daß er schon als K ind immer mit seinen Brüdern rivalisierte. Jetzt ist er rastlos, weil er immer unter dem Druck steht, weiter voranzukommen als seine Brüder, besser zu werden als sie. Erst wenn er die Ursache für seine Unruhe anschaut und seinen Wunsch zuläßt, seine Brüder zu übertreffen, kann er diesen Wunsch relativieren und die Unruhe lassen.
    In der Unruhe liegt eine Energie. Es geht also gar nicht darum, die Unruhe sofort wieder in Griff zu bekommen. Wir müssen erst einmal erkennen, wohin

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