Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herzensruhe

Herzensruhe

Titel: Herzensruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anselm Gruen
Vom Netzwerk:
Leben anschauen konnte. Das hat sie am Beten gehindert. Und es war gut, daß sie es gehindert hat. Denn erst als sie die eigene Wahrheit anschaute, wurde ihr Beten echter und ihr Leben authentischer. Jetzt hat sie sich endlich von dem Korsett befreit, das sie sich auf ihrem
    -95-

    spirituellen Weg übergestülpt hat. Sie wollte ihre Unruhe loswerden. Aber sie mußte sich erst mit ihr aussöhnen, damit sie auf einer tieferen Ebene die wahre Ruhe finden konnte. Die unruhigen Gedanken in sich gaben nicht viel her, um ihre eigentliche Problematik zu erkennen. Aber bei genauerem Hinschauen waren sie eben nur ein Schutz davor, daß die Trauer über ihr ungelebtes Leben nicht hochkommen konnte.
    Manchmal sind diese banalen Gedanken, die uns immer und überall begleiten, nur Ausdruck einer tief verborgenen Verzweiflung über die Sinnlosigkeit unseres Lebens. Aber dieser Verzweiflung wollen wir uns nicht stellen. So weichen wir aus in die Oberflächlichkeit. Die Unruhe, die daraus entsteht, läßt uns aber nicht in Ruhe. Ein Mann erzählte mir, er sei fünfzehn Jahre gut ohne Gott ausgekommen. Er hätte ihn nicht vermißt. Aber was ihn verunsichert hätte, das wäre eine dauernde Unruhe gewesen. Eine Frau habe ihm gesagt: „Du landest noch in der Psychiatrie mit deiner ständigen Unruhe.“
    Erst als er bei einem längeren Klosteraufenthalt in dieser Unruhe seine Sehnsucht nach Gott erkannt hatte, kam er zur Ruhe.
    Der größte Feind der Ruhe ist der Druck, den wir uns selbst setzen. Viele möchten frontal gegen ihre Unruhe kämpfen. Aber dann werden sie sie nie los. Sie möchten meditieren und die innere Ruhe genießen. Aber wenn sie dann spüren, was da alles in ihnen auftaucht, ärgern sie sich. Sie können sich selbst nicht aushalten. Oft genug geben sie dann den Versuch wieder auf, innerlich still zu werden. Sie wollen die Unruhe loswerden.
    Aber es geht nicht darum, sie loszuwerden, sondern sie loszulassen. Es werden immer wieder Gedanken auftauchen. Ich schaue sie an, ich lasse sie sein. Sie dürfen sein. Es darf alles sein, was in mir ist. Indem ich es sein lasse, kann ich zurücktreten, kann ich es dort lassen, wo es ist, in meinem Kopf.
    Aber mein Selbst ist dann nicht davon berührt. Ich schaue es an, lasse es zu, aber dann relativiere ich es, indem ich mir sage: Jetzt kümmere ich mich nicht mehr darum. Der Gedanke darf
    -96-

    immer wieder auftauchen. Ich nehme ihn wahr und lasse ihn sein. Dann beunruhigt er mich nicht mehr. Das ist die Ruhe, die uns vergönnt ist. Die absolute Ruhe, die viele auf Anhieb durch eine Meditationsmethode erreichen wollen, ist eine Stufe zu hoch für uns. Sie ist uns erst im Tod verheißen. Während wir leben, sind wir immer angefochten von vielen Gedanken und Emotionen. Indem wir sie dahinziehen lassen, bleiben wir trotzdem ruhig. Unterhalb des Bewußtseins, in unserem Herzen, im eigentlichen Selbst, da hat die Unruhe keinen Zutritt. Sie ist nur im Kopf und in unseren Emotionen.

    Ordnende Rituale

    Viele beginnen den Tag schon hektisch, weil sie in der letzten Minute aufstehen und noch schnell das Frühstück hinunterschlingen. Dann ist ein hektischer Tag schon vorprogrammiert. Und sie schaffen sich unnötig Probleme. Da kommen dann die Frau und die Kinder mit der gleichen mürrischen Haltung zum Frühstückstisch. Keiner will sich stören lassen. Es bedarf nur einer kleinen Bemerkung, und schon herrscht eine gereizte Stimmung. Da bringt man sich mit solch unbewußten und krank machenden Ritualen selbst in unnötige Spannungen und Konflikte. Wenn ich dagegen mit einem guten Ritual den Tag beginne, wenn ich mic h mit einem kurzen Gebet unter den Segen Gottes stelle, wenn ich mir Zeit lasse zum Frühstück und es bewußt genieße, dann werde ich anders in den Tag gehen, ruhiger, zufriedener, dankbarer, bewußter. Ich werde im Büro nicht sofort zu diesem und schon im nächsten Augenblick zu etwas anderem greifen. Ich werde eines nach dem andern erledigen. Und so wird der Berg auf dem Schreibtisch geringer. Auch während der Arbeit können gute Rituale Ordnung schaffen und mir mitten in der Hektik wieder Ruhe verschaffen. Da geht ein Bankdirektor während der Mittagspause bewußt in eine Kirche und setzt sich still hin. Er
    -97-

    genießt es, einmal nichts tun zu müssen, von niemandem angesprochen zu werden, einfach nur da zu sein. Das gibt ihm wieder Kraft und Ruhe für den Rest des Ta ges. Für mich ist nach dem Mittagsgebet und dem Mittagessen ein wichtiges Ritual ein kurzer

Weitere Kostenlose Bücher