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Herzensruhe

Herzensruhe

Titel: Herzensruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anselm Gruen
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Mittagsschlaf, in dem ich alles loslassen kann, was mich am Vormittag beschäftigt hat. Da ich tagsüber ständig Entscheidungen treffen und agieren muß, tut es mir gut, mich im Mittagsschlaf einfach in Gottes Arme fallen zu lassen. Dann kann ich nach einer halben Stunde wieder regeneriert aufstehen, um mich neuen Aufgaben zu stellen.
    Entscheidend sind die Rituale am Ende der Arbeit. Viele kommen aus der Hektik der Arbeit gehetzt nach Hause. Und schon ist der nächste Streit vorprogrammiert. Die Frau freut sich, daß der Mann endlich zu Hause ist. Aber er ist noch gar nicht da. Er ist noch voll von den Problemen, die ihn bei der Arbeit beschäftigt haben. Er möchte am liebsten seine Ruhe haben. Aber die Familie fordert auch ihr Recht. Die Kinder warten auf ihn. Die Frau möchte ihm einiges erzählen, was los war. Er reagiert nur mürrisch und kurz angebunden. Da wäre es gut, nach der Arbeit ein kleines Ritual zu haben, durch das man abschalten und die ganze Unruhe des Tages loslassen kann.
    Vielleicht genügt es schon, sich ein paar Minuten bequem hinzusetzen und im Ausatmen alles loszulassen, bevor man sein Büro verläßt. Ein anderer setzt sich in sein Auto und fährt nicht sofort los, sondern stellt sich bewußt auf sein Zuhause ein. Ein anderer kann beim Busfahren oder in der S-Bahn vom Arbeitstag abschalten, so daß er dann wirklich da ist, wenn er daheim ankommt. Wir können nicht sofort von der Unruhe zur Ruhe umschalten. Es brauc ht Übergangsrituale, Rituale, die uns helfen, das Vergangene abzulegen, um uns auf das Neue einlassen zu können.
    Rituale zeigen uns, daß wir nicht immer ruhig sein können, daß die Spannung zwischen Ruhe und Unruhe wesentlich zu uns gehört. Rituale sind ordnende Faktoren, die die Unruhe wieder
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    zur Ruhe bringen. Das gilt von der Unruhe, die uns morgens erfaßt, wenn wir an all das denken, was heute auf uns zu kommt.
    Das gilt von der Unruhe des Arbeitsalltags, von der Hektik, die uns während der Arbeit überkam oder in die wir einfach hineingetrieben wurden. Sie will abends abgelegt werden durch ein Übergangsritual von der Arbeit zum Feierabend, zur
    „Sabbatruhe“. Rituale sind aber auch Übergangsrituale für die Phasen von Unruhe und Ruhe, die es im menschlichen Leben gibt. Da gibt es Umbrüche im Menschen, die immer von innerer und äußerer Unruhe begleitet sind, etwa der Umbruch in der Pubertät oder in der Krise der Lebensmitte. Da wäre es fatal, wenn wir die Ruhe als das höchste Gut mit Gewalt festhalten möchten. Da hat auch die Unruhe ihre Berechtigung. Sie bringt in uns etwas in Bewegung. Sonst würde unsere Ruhe Gefahr laufen, zur Unbeweglichkeit zu erstarren. Aber nach Phasen der Unruhe brauchte es auch wieder Übergangsrituale zur Phase einer größeren Beständigkeit und Kontinuität. Man könnte solche Übergangsrituale bei ganz bestimmten Geburtstagen feiern, etwa beim 18. oder 40. oder 50. Geburtstag. So ein Tag könnte dann Gelegenheit sein, die Unruhe nochmals ins Wort zu fassen, die einen umgetrieben hat, die Altes durcheinandergewirbelt und Neues ans Licht gebracht hat. Und dann könnte man dem Geburtstagskind etwas schenken, das auf eine neue Phase von Ruhe und Beständigkeit hinweist. Es könnte etwa einer der fünfzig Engel sein, die ich beschrieben habe (vgl. „50 Engel für das Jahr“). Oder es könnte ein schöner Stein sein, den man gefunden hat und der manches ausdrückt von dem, was man am andern erlebt oder ihm wünscht. Oder es könnte ein Buch sein, das zur Ruhe einlädt, oder ein Meditationskurs, den man einem sche nkt, damit er sich auf den inneren Weg macht.
    Durch solche Rituale könnte zum Ausdruck kommen, daß die Unruhe ja oft notwendig ist, daß Neues wachsen kann. Wir brauchen dann kein schlechtes Gewissen zu haben, wenn wir
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    einige Jahre lang nicht wissen, was wir eigentlich wollen, daß uns da ständig neue Ideen umtreiben. Auch die Unruhe gehört zu unserem Leben. Sie treibt uns an, weiter zu wachsen, nicht zu früh uns zur Ruhe zu legen, sondern wirklich zu leben. Aber dann braucht es auch wieder Phasen der Ruhe, in denen sich etwas setzen kann. Sonst verselbständigt sich die Unruhe. Und wir finden nie, was wir eigentlich suchen. Manchmal braucht die innere Unruhe gerade Zeiten der äußeren Ruhe, damit sie sich überhaupt zu Wort melden kann. Da bedarf es dann eines längeren Rückzugs, um die inneren Impulse zu hören, die einen beunruhigen und einem zeigen, daß das, was man gerade lebt, so nicht mehr

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