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Herzensstürme - Roman

Titel: Herzensstürme - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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das harte Brot und trank etwas Wasser, das klar und sauber war und ganz sicher nicht aus dem Burggraben stammte. Erst nach einer Weile war ihr eingefallen, dass Sir Lewis vergessen hatte, sie zu fesseln, vielleicht hatte er es auch als überflüssig erachtet, denn wie sollte sie wohl aus dieser Turmkammer entkommen?
    Langsam nahm das Licht ab, der Abend nahte, die Zeit, da sie sich bewähren musste. Sie hatte zahlreiche Pläne gemacht, hatte alle wieder verworfen und beschlossen, dass sie einen klaren Kopf behalten und die Gunst des Augenblicks nutzen würde.
    Unten am Turmeingang knarrte eine Tür, jemand stieg die Treppe hinauf - dieses Mal waren es die festen Schritte eines Mannes. Sir Lewis befragte ihre Wächter mit wenigen, kurzen Sätzen, dann befahl er sie nach unten, in den Hof, um den Turmeingang zu bewachen. Die Pforte wurde aufgestoßen - er trat ein.
    Sir Lewis war bereits für die Abendtafel festlich gekleidet, auf die breiten Borten des Gewandes war mit bunten und silbernen Fäden allerlei Getier gestickt, auch trug er sein Schwert in einer kostbar gearbeiteten Scheide und über den Schultern einen langen
Mantel aus blauem Wollstoff. Er sah prächtig aus, doch Brianna ließ sich wenig davon beeindrucken. Sir Lewis war ein Verräter an der schottischen Sache, all sein Reichtum rührte daher, dass er mit den Engländern paktierte.
    »Ich bin bereit«, sagte sie. »Habt Dank für die Speisen.«
    Doch er schien es nicht eilig zu haben, schloss die Pforte hinter sich und lehnte nun dagegen, ihr den Ausgang versperrend.
    »Nicht so rasch, Bardin. Zuerst beantworte mir eine Frage.«
    Sie war verblüfft, denn sie hatte bereits einige Weisen im Kopf, die sie singen wollte, die Tanzschritte, die Sprünge, alles, was die Hofgesellschaft für sie einnehmen würde. Sie fieberte ihrem Auftritt entgegen, setzte all ihre Hoffnungen hinein.
    »Was für eine Frage?«
    Sein Blick schien sie messen und abschätzen zu wollen, und sie verspürte plötzlich Angst. Waren seine Züge nicht anders als zuvor? Entschlossener? Herrischer? Was hielt er in seiner Linken, die unter dem Mantel verborgen war?
    »Dein Vater - war er ein Engländer oder ein Schotte?«
    Sie schluckte, denn sie begriff nicht, weshalb er das wissen wollte.
    »Sag mir die Wahrheit, Brianna!«, forderte er.
    Weshalb sollte sie eigentlich ihren Vater verleugnen? War es nicht gleich, ob er Engländer oder Schotte gewesen war?
    »Mein Vater war ein Schotte«, sagte sie mit Stolz.
    Er starrte sie immer noch an, schien sie mit seinen schmalen grünlichen Augen durchbohren zu wollen.

    »Und sein Name?«
    »Ich kenne ihn nicht. Meine Mutter starb, als ich fünf Jahre alt war, ein Barde zog mich auf.«
    »Das war in England?«
    »Ja! Weshalb wollt Ihr das wissen, Sir Lewis?«
    Jetzt endlich löste er den Blick von ihr und zog die Hand unter dem Mantel hervor. Erschrocken fuhr sie zurück, denn er hielt darin ein Bündel kräftiger Lederriemen.
    »Die werden wir nun brauchen, Brianna.«
    Er hatte sie belogen! Nie hatte er vorgehabt, sie in der Halle auftreten zu lassen, er hatte vermutlich etwas völlig anderes mit ihr vor, dieser widerliche Verräter! Er hatte sie nach ihrem Vater ausgefragt und nun, da er wusste, dass sie die Tochter eines Schotten war, würde er sie wohlmöglich noch hier im Turmzimmer aufknüpfen.
    »Nimm den Stoff aus dem Korb! Nun mach schon! Es ist ein Gewand, das du anlegen wirst.«
    »Ein … Gewand?«
    Ungeduldig zerrte er jetzt das, was sie für ein großes Tuch gehalten hatte, aus dem Korb heraus. Es war tatsächlich ein langes, braunes Kleid, wie es die Bäuerinnen trugen, dazu ein Tuch, das sie um den Kopf schlingen konnte, darunter fand sich ein Paar zerschlissener Lederschuhe.
    »Zieh das Bardenkleid aus! Beeile dich!«
    »Ich denke nicht daran, mich vor Euch auszuziehen!.«
    »Wenn du noch länger wartest, werden Crow und seine Ritter noch ganz andere Dinge mit dir anstellen.«
    Langsam kam sie zu sich und begriff, dass er ihr helfen wollte. Weshalb er das tat, war ihr nicht klar, doch er musste es klug geplant haben. Sie öffnete ihr
buntes Überkleid, schnürte es am Rücken auf, zog es herunter und schlüpfte dann hastig in das hässliche braune Gewand. Es roch muffig, sie mochte gar nicht daran denken, wer es wohl vor ihr schon getragen hatte. Auch das Tuch, mit dem sie jetzt das zusammengedrehte, lange Haar verbarg, war nicht sauber und die Schuhe viel zu groß.
    »Was tut Ihr? Mein schönes Kleid.«
    Er hatte ihr Gewand mit dem

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