Herzensstürme - Roman
Wasserkrug beschwert und dann aus der Fensteröffnung geworfen. Es war jenes Fenster, das auf den Burggraben hinausging - ihr Kleid, das sie so liebevoll und mühsam genäht hatte, war für immer verloren.
»Sei still und folge mir! Unter diesem Turm liegt ein Gang, der dich in die Freiheit führt. Rasch!«
Sie lief hinter ihm die Treppe hinab. Er hatte wirklich alles klug bedacht - jetzt würde man glauben, sie sei vor Verzweiflung in den Burggraben gesprungen. Niemand würde nach ihrem toten Körper suchen, dazu war das faulige Wasser viel zu eklig.
Plötzlich blieb sie stehen.
»Ich verlasse die Burg nicht ohne Angus. Ich will, dass er mit mir kommt!«
»Angus?«
»Connor MacDean.«
Er warf einen vorsichtigen Blick zur Turmtür hinüber, sie war geschlossen. Die beiden Wächter standen draußen vor dem Turm, möglicherweise waren sie sogar mit ihrem Burgherrn im Bunde.
»Was auch immer du an diesem Verrückten findest - du wirst ihn niemals wiedersehen. Sir Crow legt großen Wert auf ihn, denn er hofft, nachdem er diesen Verräter erwischt hat, endlich nach Yorkshire auf seine Burg zurückkehren zu dürfen. Deshalb
wird er ihn hüten wie seinen Augapfel. Geh weiter! Nun lauf schon!«
Sie war verzweifelt. Wie konnte es sein, dass sie sich rettete und Angus im Kerker zurückließ.
»Helft mir, ihn zu befreien«, forderte sie störrisch. »Seine Freunde werden ihn rächen, wenn Ihr es nicht tut. Ihn und seinen Bruder Gordon.«
»Gordon?«
Verblüfft hörte sie ihn lachen. Ein bitteres, böses Lachen war es, das sie erschreckte.
»Ja, Gordon. Den Ihr wahrscheinlich auch hier gefangen haltet.«
»Du kennst Gordon?«
»Ich habe ihn noch nie gesehen, Aber ich weiß, dass …«
»Halte dich fern von ihm!«
Er sprach diesen Satz in seltsam leisem Ton, als sei er selbst im Zweifel, ob es nicht besser sei, zu schweigen.
»Wieso? Weil er ein mutiger Mann ist?«
Ungeduldig schob er sie weiter, und seine Stimme war jetzt hart.
»Connor wird sterben, so viel ist sicher. Entscheide dich, Brianna: Willst du fliehen oder lieber drüben in der Halle als Bardin auftreten?«
»Wie denn - ohne mein Gewand.«
Er ging die letzten Stufen hinab und räumte einen Stapel Feuerholz beiseite, den man unter der Treppe aufgeschichtet hatte. Brianna entschloss sich schließlich, ihm zu helfen, kniete nieder und nahm die Hölzer, die er ihr reichte. Ein rechteckiger, sorgfältig behauener Stein kam zutage, der genau in den Felsboden eingepasst war.
»Gib mir die Riemen.«
Ein eiserner Ring war in den Stein hineingetrieben worden, er stand gerade so weit vor, dass man mehrere Riemen hindurchschieben konnte.
»Geh zur Seite, Mädchen!«
Sir Lewis war zwar dürr, aber keineswegs schwach. Die Riemen spannten sich, gruben sich in seine Fäuste ein, der Stein jedoch bewegte sich um keinen Zoll. Vermutlich war der geheime Gang lange nicht mehr benutzt worden.
»Ich helfe Euch.«
Sie mühten sich beide verzweifelt, keuchten und wischten sich den Schweiß ab, die verdammten Riemen schnitten in Briannas Hände. Dann - endlich - knirschte der Stein und ließ sich langsam emporheben. Unregelmäßige Stufen waren zu sehen, die man in den Fels hineingehauen hatte, sonst war alles stockdunkel.
»Taste dich voran, es ist ziemlich eng, möglicherweise steht auch etwas Wasser darin. Der Gang endet zwischen zwei Felsen, die reichlich zerklüftet und mit Buschwerk überwachsen sind. Dort wirst du dein Pferd finden, Brianna.«
Sie misstraute diesem dunklen Gang und hatte große Furcht, darin zu ersaufen oder zu ersticken. Dennoch stieg sie langsam hinunter, spürte den kalten Hauch, der ihr entgegenwehte, und sie erschauerte.
»Weshalb tut Ihr das alles, Sir Lewis?«
»Ich zahle eine alte Schuld.«
Unten war der Gang so niedrig, dass sie nur gebückt gehen konnte, die Hände vorgestreckt, um nicht gegen irgendein Hindernis zu stoßen. Schon nach wenigen Schritten hörte sie über sich einen knirschenden Laut, dann ein leises Rumpeln. Sir Lewis hatte den Stein wieder an Ort und Stelle geschoben.
Kapitel 13
Angus lehnte keuchend mit dem Rücken gegen die Mauer und versuchte, sich auf den Beinen zu halten. Es war nicht einfach, denn er hatte einige harte Schläge ins Genick erhalten, Schwindel plagte ihn, die Wandfackel, die den engen, kreisrunden Raum erleuchtete, tanzte vor seinen Augen hin und her. Man hatte seine Arme ausgebreitet und die Handgelenke an zwei Eisenringe gebunden, die in das Mauerwerk eingelassen waren - wenn ihm die
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