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Herzensstürme - Roman

Titel: Herzensstürme - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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man den Gefangenen die steinerne Treppe hinunterstieß, atmete der Statthalter erleichtert auf, vermutlich war ihm der Anblick eines so übel zugerichteten Menschen nicht angenehm, denn er strich sorgfältig über sein schönes Gewand, um einige Flusen zu entfernen. Dann lächelte er dem grauhaarigen Ritter mit einer Miene zu, als gäbe er einem armen Mann ein stattliches Almosen.
    »Wenn es Euch Freude macht, Sir Lewis, dann soll sie heute Abend für uns tanzen. Niemand soll behaupten, ich sei hartherzig und behandelte den Burgherrn von Craigton Castle wie einen Knecht. Schließlich habt ihr Euch um unsere Freundschaft verdient gemacht, Sir.«

Kapitel 12
    Der grauhaarige Ritter, der soeben mit »Sir Lewis« angeredet worden war, fasste Brianna jetzt wieder am Arm und stieß sie unsanft aus dem Saal. Auf der engen Treppe war ein ziemliches Schieben und Drängen, Kämpfer und Ritter kamen ihnen entgegen, auch schön gekleidete Edelfrauen, die neugierig waren, was sich in der Halle ereignet hatte. In ihrem Gefolge waren Knappen, die gefüllte Kannen schleppten - vermutlich wollte Mathew Crow die glückliche Gefangennahme des schottischen Verräters gebührend feiern.
    Sir Lewis hatte seine Hand schwer auf Briannas Schulter gelegt, während sie die Stufen hinabgingen. Bald begriff sie auch, dass mehrere Krieger ihnen folgten, denn die Emporsteigenden traten zur Seite, um ihnen Platz zu machen. Neugierige Augen waren auf sie gerichtet, auf den Gesichtern der Ritter und Damen spiegelte sich Befremden, einige der älteren Frauen sahen voller Mitleid auf sie, doch keine Einzige wagte es, das Wort an sie zu richten. Stattdessen warf man sich bedeutsame Blicke zu und tauschte leise Bemerkungen aus.
    »So jung, fast noch ein Kind.«
    »Und so hübsch. Welch ein Jammer, dass sie eine Spionin ist.«
    »Eine Bardin - da weiß man doch, was von so einer zu halten ist.«
    Unerbittlich schob Sir Lewis sie die Treppe hinunter,
und sie hörte, wie er den Kämpfern kurze Anweisungen gab.
    »Schließ drüben auf! Schaff Riemen herbei! Zwei Wachen vor ihrer Tür genügen …«
    In ihrem Kopf war ein völliges Durcheinander. Wollte er sie etwa fesseln? Irgendwo in einem dunklen Loch anbinden, wo man sie am Abend wieder hervorzerren würde, damit sie die Hofgesellschaft mit ihren Liedern und Tänzen belustigte? Wachen vor ihrer Tür? Entsetzt dachte sie an das, was die Krieger in der Halle geredet hatten - sie würde diesen Kerlen hilflos ausgeliefert sein.
    Der Burghof war immer noch voller Rauch und Nebel, doch jetzt war dort das Leben erwacht, als habe man zuvor nur stillgehalten, bis die beiden ahnungslosen Opfer in der Falle waren. Auch der Fuhrmann war inzwischen mit seinem Karren in die Burg hineingefahren, Knechte luden Fässer und Kisten ab, schleppten sie in eines der Gebäude hinein. Der Fuhrmann drehte sich zur Seite, als Brianna an ihm vorbeigeführt wurde, doch sein Begleiter, der jetzt die Kapuze vom Kopf gezogen hatte, starrte ihr mit offener Häme ins Gesicht. Er hatte grobe Züge, die Nase war dick und schwammig, an seiner Stirn prangte eine rötliche Schwellung, ähnlich einer Beule.
    Sir Lewis Hand lag immer noch fest auf ihrer Schulter, die Kämpfer, die ihn begleiteten, schlossen sie jetzt von allen Seiten ein. Wenn sie einen kurzen Augenblick daran gedacht hatte, ihren Bewachern zu entschlüpfen, um im Schutz des Nebels zum Burgtor zu flüchten, so war diese Möglichkeit nun vollständig dahin.
    Man führte sie zu einem der Mauertürme, ein eiserner Schlüssel knirschte im rostigen Vorhängeschloss,
knarrend öffnete sich eine niedrige Tür aus dicken Eichenbohlen. Ein muffiger Geruch nach feuchtem Holz und Schimmel schlug ihr entgegen, auch der Gestank des Burggrabens machte sich bemerkbar, denn im oberen Bereich des Mauerturms gab es schmale Fenster.
    »Hinauf!«
    Zuerst konnte sie die hölzerne Treppe kaum erkennen, doch Sir Lewis wartete nicht, bis sich ihre Augen an das dämmrige Licht gewöhnt hatten. Mit einem harten Stoß in den Rücken zwang er sie, die Stufen hinaufzustolpern. Hinter ihr dröhnten die Tritte der Männer, die die schmale Treppe erzittern ließen. Hilflos stapfte sie voran, streifte hie und da das raue Mauerwerk, Spinnweben wehten ihr entgegen, setzten sich klebrig auf ihr Gesicht, hingen sich an ihrem Kleid fest. Verzweifelt dachte sie an Angus, der jetzt tief unter dem Wohnturm im Verlies angekettet war, stellte sich vor, wie man ihn verhöhnte und bedrohte, ihn vielleicht sogar

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