Herzensstürme - Roman
Beine wegsackten, mussten die Handgelenke sein gesamtes Körpergewicht tragen, das würde nicht lange gutgehen.
Er war in die Falle gelaufen - Kelvin hatte alles Recht der Welt gehabt, ihn einen Dummkopf zu nennen. Schon in England war er verraten worden, wieso hatte er geglaubt, der Verräter würde ihn hier in Schottland in Ruhe lassen, die Jagd aufgeben? Wer auch immer es war - er folgte ihm, um ihn zu vernichten, wahrscheinlich hatte er überall seine Helfer, hatte sein Opfer schon vor Tagen mit seinem Netz umsponnen, heute hatte er nur die Schlinge zuziehen müssen. Angus stöhnte leise und zerrte an den Handfesseln, doch er erreichte nur, dass sie tiefer ins Fleisch schnitten, die Hände waren sowieso schon ohne Gefühl.
Er hatte versagt, würde seinem Bruder Gordon nicht helfen können, ja, er wusste nicht einmal, ob Gordon hier in der Burg gefangen saß. Das Schlimmste jedoch war, dass er auch Brianna mit ins Verderben gezogen hatte. Brianna, die kleine Bardin,
die so zärtlich und zugleich so starrsinnig an ihm hing und von der er nicht hatte lassen können. Er hätte sich von ihr trennen müssen, endgültig, so früh wie möglich. Gerade weil sie ihm ans Herz gewachsen war, hätte er von ihr fortgehen müssen. Doch er hatte es nicht vermocht.
Zuerst war sie ihm wie ein dickköpfiges Kind erschienen, so offen und ehrlich, dass sie manchmal fast einfältig erschien, und er insgeheim über sie lächelte. Sie war ihm so hilflos vorgekommen, dass er bald begann, sich um sie zu sorgen. Wie war er auf die blödsinnige Idee gekommen, sie schützen zu wollen? Er hatte sie in Gefahr gebracht, nichts anderes.
Er schloss die Augen, denn jetzt kreiste der gesamte Raum um ihn und seine Beine zitterten bedenklich. Weshalb machte er sich etwas vor? Er hatte sich in dieses Mädchen verliebt, hatte den verzweifelten Wunsch gespürt, ihr goldfarbiges Haar zu berühren, ihre dunklen Augen zu küssen, ihren schlanken und so verführerischen Leib in seinen Armen zu halten. Ohne dieses verfluchte Bardenkleid, nur so, wie Gott diese süße Schönheit erschaffen hatte. Was hatte ihn zurückgehalten? Sie war eine Bardin, eine dieser Spielfrauen, die sich für Geld an einen Mann hingaben, sie tanzte auf Märkten und in Burgen, er hatte keinen Grund gehabt, auf eine kleine Liebelei zu verzichten. Und doch hatte er es nicht fertiggebracht, weiß der Teufel weshalb, etwas in seinem Inneren hatte sich widersetzt. Vielleicht war es die Angst gewesen, niemals wieder loszukommen, wenn er sich erst einmal auf sie eingelassen hatte. Brianna glich keiner der Frauen, die er bisher gekannt hatte, sie war anders, sie hatte ihn an einer Stelle gepackt, an die bisher noch kein Weib gerührt hatte. An sein Herz.
Oh, sie war alles andere als einfältig, sie verblüffte ihn mit ihrer Schlauheit, mit ihren Tricks und überraschenden Einfällen. Man musste sich vor ihr in Acht nehmen, doch zugleich wusste er, dass er sich felsenfest auf sie verlassen konnte. Weshalb glaubte er das zu wissen? Er spürte es. Zum ersten Mal in seinem Leben gab es eine Frau, von deren unverbrüchlicher Treue er überzeugt war. Und gerade diese Frau hatte er selbst ins Verderben gerissen.
Doch noch war nicht aller Tage Abend. Man würde ihn nicht töten, sondern lebend nach London schaffen, noch hatte er Zeit, für Gordon und Brianna zu kämpfen. Wie auch immer er das anstellen würde.
Eine Weile dämmerte er vor sich hin, versuchte hin und wieder die abgestorbenen Hände zu bewegen, setzte die Beine in eine andere Position, wehrte sich gegen das elende Schwindelgefühl und die aufsteigende Übelkeit. Er hatte eine Menge Schrammen und Beulen einstecken müssen, sein Körper war blutverschmiert, sein linkes Auge schwoll zu. Doch er hatte auch heftig ausgeteilt, und er wusste, dass so mancher englische Krieger jetzt seine Wunden pflegen musste.
Die Fackel war fast niedergebrannt, als man über ihm das Gitter des Einstiegsloches entfernte und eine hölzerne Leiter hinabgelassen wurde. Zwei Wächter stiegen hinab, einer trug eine frische Fackel. Hinter ihnen kletterte ein dicklicher, kurzbeiniger Mann die Sprossen hinunter, in ein hellblaues, schön besticktes Gewand gekleidet - der Statthalter Mathew Crow.
»Pfui - was für ein Gestank«, beschwerte sich Crow, als er die letzten Sprossen genommen hatte. »Man sollte dieses alte Verlies nicht mehr benutzen, es stammt gewiss noch aus den Zeiten von Wilhelm dem Eroberer.«
Fast hätte Angus gelacht - der Statthalter
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