Herzenssünde - Silver, E: Herzenssünde
warum diese Sekte, in deren Mittelpunkt die Verehrung Sutekhs stand, einen der Söhne ihres Gottes abschlachtete.
Wenn die Setnakhts nicht gewusst hatten, wen sie vor sich gehabt hatten, hätte Lokan sich bloß zu erkennen geben müssen. Es hätte auch genügt, seine Gegner niederzumachen und zu vernichten, wenn es sich tatsächlich nur um Sterbliche gehandelt hatte.
Und wenn nicht? Hier landete er wieder bei der Theorie des Verräters in den eigenen Reihen. Der engste Kreis um Sutekh bestand aus seinen Söhnen und Gahiji. Als mögliche Verräter schieden seine Brüder von vorneherein aus. Und Gahiji? Der alte Seelensammler war fast schon eine Ewigkeit ein absolut treuer und loyaler Gefolgsmann Sutekhs. Wie sollte er darauf kommen, einen der Söhne seines Herrn und Meisters auszulöschen? Zwar war es ein offenes Geheimnis, dass Gahiji nicht viel von Lokan hielt, was dieser natürlich nie offen zu zeigen gewagt hätte. Dennoch hatten die Brüder es natürlich gespürt. Aber diese Antipathie war noch längst kein Grund, Sutekhs Sohn auf so brutale Weise hinzurichten.
„Hast du inzwischen herausgefunden, warum Gahiji so auf deine Roxy losgegangen ist?“, fragte Malthus, der Dagans Gedankengänge zu ahnen schien.
„Du meinst abgesehen davon, dass sie eine Isistochter ist?“, entgegnete Dagan trocken.
„Die Feinde von heute können die Verbündeten von morgen sein. Sieh mich an. Ich bin gerade unter einer von Xaphans Gespielinnen hervorgekrochen gekommen. Wären wir uns vor drei Tagen bei euch in Toronto begegnet, hätte sie vermutlich versucht, mich zu grillen.“
„Garantiert.“
„Gahijis Attacke gegen Roxy war völlig sinnlos, selbst wenn man in Betracht zieht, dass sie eine Isistochter ist.“
Dagan rief sich jene Nacht in Erinnerung. „Wenn du mich fragst, ging es auch nicht grundsätzlich um die Isistöchter. Es war ein Angriff auf Roxy, als hätte Gahiji eine persönliche Rechnung mit ihr zu begleichen.“
„Dann müssen wir nur noch herausbekommen, was für eine Rechnung das ist.“
Genau über diese Frage dachte Dagan bereits nach. Ihm war von Anfang an aufgefallen, dass sich alle Beteiligten brennend für die Marin-Brüder, für das Mädchen Dana und für die Setnakhts interessierten, die wiederum etwas mit Lokans Tod zu tun zu haben schienen.
Und wenn Gahijis Griff nach Roxys Herzen irgendwie mit seinem Tod zusammenhing? Das war eine ziemlich abenteuerliche Spekulation. Trotzdem, Dagan hatte Gahiji noch nie so erlebt. Der alte Reaper war normalerweise unerschütterlich kühl und leidenschaftslos. Dass er sich in Dagans und Alastors Anwesenheit derart in den Vordergrund drängte und solch einen Alleingang unternahm, passte überhaupt nicht zu ihm.
Sie mussten weiter ein wachsames Auge auf Gahiji haben. Zumindest solange sie in dieser Frage nicht weiterkamen. Dagan hatte jedoch noch etwas anderes auf dem Herzen, und dafür war Malthus, der Liebling aller Frauen, der perfekte Ansprechpartner. Da Dagan sich nicht traute, seine Bitte direkt auszusprechen, entschied er sich für dieselbe Taktik, die er schon im Gespräch mit Alastor genutzt hatte. Er stellte Malthus dieselbe Frage wie Alastor: „Hast du eigentlich mal den ‚Paten‘ gelesen?“
Einen Augenblick herrschte am anderen Ende Stille. Dagan malte sich aus, wie Malthus die Stirn runzelte und sich fragte, was jetzt bloß in seinen Bruder gefahren war. Schließlich antwortete Malthus zögernd: „Vor Jahren, ja.“
„Erinnerst du dich zufällig noch an die Stelle, wo Michael Corleone dieses Mädchen zum ersten Mal sieht, Apollonia?“
Wieder kurzes Schweigen. „Ja, jetzt fällt sie mir wieder ein. Ich glaube, es ist so beschrieben, dass Michael wie vom Blitz getroffen war.“
„Genau.“ Dagan zögerte, bevor er weitersprach. „Ist dir so etwas auch schon mal passiert?“
„Vom Blitz getroffen? Bei der Begegnung mit einer Frau? Was für eine Frage, Dae. Das passiert mir so gut wie jeden Tag, manchmal sogar zweimal täglich. Da brauche ich nur einen hübschen Hintern zu sehen oder ein Paar schöne Beine oder ein Paar Kirschlippen, in die man fast reinbeißen möchte. Was ist denn mit dir los?“
„Nein, Mal, das meinte ich nicht“, entgegnete Dagan vorsichtig. „Ich meinte es, wie es in dem Roman beschrieben ist: Du wirst vom Blitz getroffen. Dieser Typ, Michael, hat die Frau gesehen und wollte sie haben, um jeden Preis. Von einem Moment auf den anderen bedeutete sie alles für ihn.“
„Wie war das noch in dem Buch?“,
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