Herzenssünde - Silver, E: Herzenssünde
eingesteckt hatte.
„Ich mache dir ein Angebot“, begann Gahiji erneut. „Du sagst mir, wo ich das Kind finde, und ich schenke dir dein jämmerliches Leben. Was bedeutet dir das Kind schon? Eine Sterbliche, mit der du nichts zu schaffen hast.“
Eine Sterbliche. Roxy hatte den starken Verdacht, dass der Reaper wusste, was es mit Dana auf sich hatte. Dass sie die Tochter eines Seelensammlers war. Spätestens seit Roxy in den letzten Tagen Dagans Blut gekostet hatte, war ihr klar, warum ihr der Geschmack von Danas Blut aufgefallen war. Es gab da eine Ähnlichkeit. Sie ging nicht so weit wie zwischen Vater und Tochter, aber weit genug, dass sie zum Beispiel Onkel und Nichte sein konnten. Roxy wäre jede Wette eingegangen, dass Dana die Tochter von Dagans ermordetem Bruder Lokan war. Das wäre auch wenigstens zum Teil eine Erklärung dafür, dass es möglich war, einen Sutekh-Sohn zu töten. Sicher hatte Lokan sein Kind mit dem eigenen Leben verteidigt. Dass Dagan davon wusste, bezweifelte Roxy jedoch. Aber höchstwahrscheinlich kannte Gahiji die Zusammenhänge.
„Gahiji, du hintertreibst die Friedenskonferenz meines Vaters. Willst du einen Krieg vom Zaun brechen? Wieso kann dir ein Kind so wichtig sein, dass du das riskierst?“ Dagan fühlte die giftigen Blicke, die Calliope ihm zuwarf. Und er fragte sich genauso, ob er Gahiji unwillentlich hierhergeführt hatte, als er Roxy gefolgt war. Aber das glaubte er nicht. Dagan war davon überzeugt, dass Gahiji auf der Suche nach Dana hierhergekommen war. Er war über Dagans Anwesenheit wohl genauso überrascht wie er über seine.
Die beiden anderen Seelensammler bewegten sich. Zwar hielten sie von Dagan respektvollen Abstand, dennoch war erfest davon überzeugt, dass sie Gahiji blind folgen würden. Sie waren erst neu. Dagan kannte noch nicht einmal ihre Namen.
Dann fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Gahiji war nicht auf Geheiß seines Vaters hier, nicht einmal mit dessen Wissen. Er kümmerte sich einen Dreck um Sutekhs Friedensbemühungen in der Unterwelt. Er hatte die Seiten gewechselt. Mit einem Mal fügte sich alles zusammen: die Rolle der Gebrüder Marin, die Bedeutung des Kindes, die Frage, wie die Setnakhts es schaffen konnten, Lokan umzubringen. Nicht sie hatten ihn umgebracht, ein Reaper hatte es getan.
„Ich verstehe“, sagte Dagan, und seine Stimme klang beinah sanft, so sehr zügelte er seine Wut, „du bist hier, um deinen Arsch zu retten. Du willst das Kind, weil es dich bei den Setnakhts gesehen hat. Du hast meinen Bruder umgebracht, du Bas tard.“
Er ging auf Gahiji zu. Im selben Augenblick stürzten sich die anderen beiden Reaper auf Roxy und Calliope. Dagan war hin- und hergerissen. Sein Instinkt sagte ihm, dass er Roxy beschützen musste. Andererseits brannte er darauf, Lokan zu rächen und Gahiji eigenhändig auszulöschen. Aber wie sollte er dann die anderen Reaper in Schach halten?
Als Gahiji zurückwich, hastete Dagan ihm nach. Im Augenwinkel sah er Calliope kämpfen. Sie hielt sich gut. Ihre Schläge waren hart und präzise. Eine Zeitlang, schätzte Dagan, würde sie dem Reaper allein standhalten. Roxy war in größerer Gefahr. Der Reaper vor ihr hielt seine Rechte schon im Anschlag, um sie im nächsten Augenblick zum tödlichen Griff nach ihrem Herzen vorschnellen zu lassen. Roxy wehrte sich mit ihrem Messer und schlitzte ihm den Bauch bis zum Brustbein hinauf auf. Das Blut spritzte in hohem Bogen, aber davon ließ er sich nicht aufhalten.
Dagan kamen diese Sekunden vor, als bewegte sich alles in Zeitlupe. Die Hand des Reapers schoss nach vorne. Roxy wich aus. Dagan hatte das Gefühl, als griffe der Reaper nachseinem Herzen. Im allerletzten Moment traf er die Entscheidung. Er musste Roxy retten.
Er ließ Gahiji los, und in einer pfeilschnellen Bewegung fuhr seine Hand in den Brustkorb des Angreifers. Er umklammerte das Herz des Reapers, riss es heraus und schleuderte es an die Wand, wo es für Sekundenbruchteile haften blieb, dann zu Boden rutschte und eine breite Blutspur hinterließ.
Mit einem wütenden Knurren legte Dagan die Schwarze Seele des Reapers frei und umschloss sie mit dem Feuerband. Er würde sie Sutekh bringen, denn erst wenn er sie verschlungen hatte, konnte man sicher sein, dass sie nicht wieder in den Körper zurückkehrte und der Verräter wieder auferstand.
Wieder musste er an Lokan denken. Gahiji konnte ihn nicht allein getötet und in die Unterwelt verbannt haben. Er hatte Hilfe gehabt, sehr mächtige
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