Herzenssünde - Silver, E: Herzenssünde
sie das Kind sonst noch beruhigen konnte, streckte es die Hand nach der kleinen Sprayflasche aus. Die Kleine kannte sich damit aus. Sie schüttelte das Spray, setzte sich die Öffnung an den Mund und nahm einen tiefen Atemzug, während sie auf die Pumpe drückte. Erschöpft, aber auch ein wenig erleichtert, sank Dana zurück in die Ecke des Schranks.
Roxy warf einen prüfenden Blick auf Marin. Er lag tatsächlich genauso auf dem Bett, wie sie ihn dort hinterlassen hatte, und hatte nicht gewagt, sich zu rühren. Wahrlich, dieses Frettchen hatte einen Orden verdient. Nicht einmal ein schwacher Laut war von ihm zu hören. Offenbar nahm er Roxys Drohungen ernst.
Sie wandte sich wieder dem Kind zu. Noch einmal griff sie in den Rucksack und holte ein kleines abgegriffenes Kuscheltier hervor, das trotz der Abnutzungsspuren, die von großer Liebe zeugten, noch als Katze zu erkennen war. „Deine Mom hat mir das mitgegeben, damit du einen Freund bei dir hast, bis du wieder bei ihr bist.“
„Das ist eine Sie. Sie heißt Flopsy“, erklärte das Kind ernsthaft mit leiser Stimme und drückte das Plüschkätzchen fest an sich.
„Okay. Dann warte mit Flopsy hier. Ich muss ganz kurz noch einmal den Schrank zumachen, bin aber gleich wieder da.“
„Nein!“, protestierte Dana.
„Es ist alles gut. Du hast ja dein Kätzchen.“
Dana machte ein unglückliches Gesicht. Im selben Moment hörte Roxy am Quietschen der Bettfedern, dass Marin sich wieder rührte. Sie verdrehte kurz die Augen. Dann holte sie einen iPod und Kopfhörer aus dem Rucksack. Sie war bestens ausgerüstet. Bevor sie sich auf den Weg gemacht hatte, hatte sie Danas Mutter gebeten, die Lieblingslieder ihrer Tochter aufzunehmen. Roxy hatte mit einer Situation wie dieser gerechnet. Und was sie Mr Marin zu sagen hatte, musste die Kleine wirklich nicht mithören.
„Das hat mir deine Mutter auch mitgegeben“, sagte sie zu Dana. Sie sah, dass das Mädchen den rosafarbenen iPod mit den kleinen Katzenaufklebern wiedererkannte. Sorgfältig setzte sie ihr die Kopfhörer auf, drückte auf Wiedergabe und kontrollierte, ob die Musik lief. Kurz hob sie den Kopfhörer auf einer Seite an und schlug Dana vor: „Du kannst Flopsy etwas vorsingen.“
Währenddessen hörte sie wieder das Quietschen der Federn und eine Art Knurren, das aus Marins Richtung kam. „Ich muss nur noch rasch … etwas erledigen. Dann fahren wir sofort zu deiner Mom.“
Roxy drehte die Musik ein wenig lauter. Dana sah sie mit ihren blauen Augen groß an und sagte nichts. Schließlich nickte sie.
Roxy zögerte. Ihr war nicht wohl dabei, die Sechsjährige noch einmal in den Schrank zu sperren. Aber sie hatte keine Wahl. Marin wurde immer unruhiger. „Sing“, forderte sie das Mädchen auf, „sing für Flopsy.“ Dann setzte sie ihm die Kopfhörer wieder richtig auf und lächelte Dana aufmunternd zu, so gut sie es vermochte, bevor sie die Schranktür wieder schloss.
Roxy lehnte die Tür nur an, sodass noch ein wenig Licht ins Innere fiel und das Kind nicht im Dunkeln hocken musste. Sie war sicher, dass Dana so eingeschüchtert war, dass sie nicht unverhofft herauskommen würde. Ein wenig beruhigte Roxy, dass sie jetzt durch das Sperrholz der Tür hindurch ein dünnes Stimmchen den Uralt-Hit „The Locomotion“ singen hörte. Dann wandte sie sich wieder Frank Marin zu.
Sie griff ihm ins schüttere Haar und riss seinen Kopf hoch. Er stöhnte vor Schmerzen auf. „Heul doch nicht gleich“, meinte sie. Sie nahm ihm den Knebel ab, zückte mit einer schnellen Bewegung das Messer und setzte es wieder an der Kehle an.
Er blickte auf die blitzende Klinge. „Was ist? Willst du mich umbringen?“ Es sollte wohl unerschrocken wirken, klang aber jämmerlich.
„Wie gesagt, ich hätte große Lust dazu. Allein schon dafür, was du der Kleinen angetan hast.“ Sie beugte sich näher über ihn und funkelte ihn an, aber sie hatte sich im Griff. Marin blinzelte. Er rechnete offenbar mit dem Schlimms-ten. „Du hast vorhin etwas von Informationen gefaselt. Also rede. Noch hast du Gelegenheit dazu. Vielleicht lass ich dich sogar am Leben.“
Marin nickte eifrig, soweit die scharf geschliffene Spitze des Messers ihm Platz dafür ließ. „Was willst du wissen? Du brauchst mich nur zu fragen.“
Als hätte sie dafür seine Erlaubnis gebraucht. Roxy schob den linken Ärmel ein Stück hoch und zeigte Marin das Zeichen auf ihrem Unterarm. Eingeätzt in die Haut war das Ankh, der Lebensschlüssel, kunstvoll
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