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Herzenssünde - Silver, E: Herzenssünde

Herzenssünde - Silver, E: Herzenssünde

Titel: Herzenssünde - Silver, E: Herzenssünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eve Silver
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Prinzen, ohne damit zu rechnen, dass der König Vergeltung übte.
    „Die Formeln des Glaubensbekenntnisses, Sohn des Sutekh“, ermahnte Anubis ihn.
    Nie habe ich unter den Menschen Furcht und Schrecken verbreitet, den Menschen habe ich niemals wissentlich geschadet, mein Herz verabscheut Rohheit, nie war ich schuld, dass Menschen Tränen vergossen – das konnte er nicht sagen, ohne dreist zu lügen.
    Dagan beschloss, sich auf ein paar unverfängliche Artikel zu beschränken, in der Hoffnung, damit durchzukommen: „Ich habe mir kein fremdes Vieh auf den Wiesen angeeignet. Ich habe keinem Kind die Milch von seinem Munde geraubt. Ich habe kein Feuer ausgelöscht, das brennen sollte.“
    „Wenigstens ist das ehrlich.“ Anubis lachte ein bellendesSchakallachen. „Nun gut, schreiten wir direkt zum Urteil.“ Er schien auf eine Erwiderung Dagans zu warten, aber es kam keine. „Im Unterschied zu deinem Bruder bist du nicht besonders redselig.“
    Dagan hatte die erste Zeit seines Lebens ziemlich häufig allein verbracht. Wenn man so aufwuchs, wurde man nicht gerade zu großer Beredsamkeit erzogen.
    Mit einer ausladenden Geste wies Anubis auf Dagans Körper. „Ich brauche dein Ib.“ Er wollte Dagans Herz, Sitz der Gedanken, des Willens, der Absichten und Gefühle. Der Schakal lächelte, und zwei Reihen kräftiger Zähne zeigten sich zwischen den Lefzen. „Du kennst die Prozedur. Dein Herz wird auf Maats Waage gegen eine Feder aufgewogen werden. Nur wenn seine Waagschale sich nicht senkt, bestehst du die Prüfung und darfst vor Osiris’ Angesicht treten.“
    Anubis streckte die Hand, in der er das Ankh hielt, nach ihm aus. Jetzt erkannte Dagan, dass das Ankh ein schmaler Dolch mit einem goldenen Griff in Form des Lebensschlüssels war.
    Nett, dachte er, davon hat Lokan nie etwas erwähnt. Aber Lokan war ja auch Gesandter gewesen, und Diskretion ist nun einmal das A und O der Diplomatie, deren Kunst Lokan wie kein Zweiter beherrschte.
    Ohne Anubis aus den Augen zu lassen, zog Dagan sich das T-Shirt aus. Während er das tat, dachte er, dass Malthus mit seinen warnenden Worten nicht ganz unrecht gehabt hatte. Wie sollte sein schwarzes Herz auf Maats Waage der Gerechtigkeit bestehen?
    Obwohl in Anubis’ Hundegesicht kein Zucken zu bemerken war, spürte Dagan, wie sich plötzlich die Atmosphäre gefährlich auflud. Anubis starrte ihn an und sagte leise: „Sohn des Sutekh, du wagst es, das Zeichen von Osiris zu tragen?“
    Erst jetzt begriff Dagan, was los war. Es war der Anhänger, den er trug, seit er ihn dem toten Joe Marin abgenommen hatte. „Sieh genau hin“, erwiderte er und stellte sich so hin, dass Anubis den Silberschmuck gut sehen konnte. „Es ist nicht das Ankh des Osiris. Es hat Hörner und Flügel. Ich bin zwar Sutekhs Sohn, das hindert mich jedoch nicht, das Zeichen der Isis zu tragen.“ Oder der Isistöchter, fügte er in Gedanken hinzu.
    „Sutekhs Söhne sind Feinde der Isis.“
    „Nimm es als Zeichen meines Respekts vor Osiris’ Gemahlin. Und als Zeichen meines Strebens nach Neutralität.“ Dagan wunderte sich über sich selbst. Das klang ja richtig diplomatisch.
    „Tritt näher.“ Anubis’ Aufforderung klang ziemlich ungehalten.
    Während Dagan auf ihn zuging, war wie aus dem Nichts eine gewaltige golden schimmernde Waage aufgetaucht, auf deren einer Schale eine einzelne weiße Feder lag, Maats Feder. Die andere Waagschale war leer.
    „Noch näher“, befahl Anubis.
    Dagan nahm den Dolch, der ihm gereicht wurde, hielt den Atem an und setzte zu einem Schnitt zwischen der vierten und fünften Rippe an, gerade tief genug, um die Haut und die Muskeln zu durchtrennen, ohne die inneren Organe zu verletzen. Das Blut lief an seiner Brust herunter und durchtränkte den Hosenbund seiner Jeans.
    Der Dolch entglitt ihm und fiel scheppernd zu Boden. Mit beiden Händen bog Dagan die Rippenbogen auseinander. In einem mächtigen Strahl schoss heiß und rot das Blut heraus. Der Teil seiner Natur, der sterblich war, schauderte und wollte vor Schmerz aufschreien. Doch Dagan blieb stumm. Das göttliche Erbteil in ihm war stärker und ließ ihn alle Regungen unterdrücken.
    „Das Herz“, forderte Anubis drängend.
    Dagan verfluchte ihn im Stillen, denn er konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Anubis sich an der Szeneweidete. Dagan umschloss sein schlagendes Herz mit der Rechten, riss es sich aus der Brust und warf es auf die leere Waagschale, die sich rasch mit seinem Blut füllte, das bald über

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