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Herzenssünde - Silver, E: Herzenssünde

Herzenssünde - Silver, E: Herzenssünde

Titel: Herzenssünde - Silver, E: Herzenssünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eve Silver
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gewartet, auf dieses Zeichen des völligen Einverständnisses. Er gab Gahiji das Zeichen, alles, was besprochen und versprochen worden war, aufzuschreiben, und dieser trug es auf einer dicken bereitliegenden Schriftrolle ein. Sutekh war sehr darauf bedacht, dass alles peinlich genau festgehalten wurde. Wie bei einem ehrbaren Geschäftsmann musste alles seine Richtigkeit haben. Deshalb führte Gahiji säuberlich Buch. Die Schriftrolle war aus fein gegerbtem Leder, aber was nur Sutekh und er wussten: Der Rohstoff dieses Pergaments war Menschenhaut. Ein kleiner Scherz, den sich die beiden erlaubt hatten.
    Die Bittsteller machten ausnahmslos zufriedene Mienen. Zwar hatten sie nicht ganz erreicht, was sie wollten, aber immerhin etwas. Der Mächtigste der Unterwelt hatte ihnen seine Gunst bezeugt. Vielleicht war das Dasein nach dem Tode doch nicht so trostlos.
    Wenn Sutekh nun seine Hand ausstreckte, kamen sie zutraulich näher, um sie zu ergreifen und ihm zu danken. Und dann öffnete Sutekh seinen Schlund. Er konnte wie eine Schlange seinen Unterkiefer aushaken und seinen Rachen unermesslich weit aufreißen. So verschlang er die Seele seines Gastes und erfüllte damit exakt das Versprechen, das er ihm gegeben hatte. Dieser wurde ein Teil von ihm und war ihm so nahe, wie man jemandem nur nahe sein konnte.
    Am liebsten mochte Sutekh die mit Sünde beladenen Seelen, die, die sich in ihrem irdischen Dasein mit Hass, Habgier und Gemeinheit besudelt hatten. Sie waren dem König des Chaos die Schmackhaftesten und Nahrhaftesten. Den anderen Teil von Sutekhs Versprechen einzulösen und die Verhältnisse der Hinterbliebenen zu regeln, war Gahijis Aufgabe. Wenn Sutekh seine Bittsteller auch jeglicher Hoffnung auf eine Weiterexistenz im Jenseits beraubt hatte, achtete er genauestens darauf, dass jede seiner Zusagen eingelöst wurde. Ein Spottpreis für den Verlust des Paradieses, der Schilffelder der Seligen, der Asphodelienwiesen, des Himmels, der Unversehrtheit der unsterblichen Seele, des Walhalla oder woran auch immer die Jeweiligen glauben mochten. Aber Vertrag war Vertrag, und Sutekh glaubte an die Gültigkeit von Verträgen.
    Währenddessen saß Lokan in seiner Ecke und verfolgte das Geschehen. Es entging Gahijis Aufmerksamkeit nicht, dass Sutekhs Sohn jedes Mal kaum merklich zusammenzuckte, wenn sein Vater eine Seele verschlang. Gahiji glaubte sogar einen Ausdruck von Ekel auf Lokans Miene zu erkennen. Vielleicht waren es Spuren menschlicher Natur, die Lokan, von Sutekh mit einer Sterblichen gezeugt, noch anhafteten. Weichliche Züge, Mitleid.
    Gahiji hütete sich, Sutekh gegenüber ein Wort über seine Beobachtungen zu verlieren. Dafür liebte er seine Stellung als Seelensammler und Vertrauter des mächtigen Fürsten viel zu sehr, als dass er sie durch unvorsichtige Kritik an Sutekhs Nachkommenschaft aufs Spiel gesetzt hätte. Er wollte seinen Herrn weiterhin mit Nahrung versorgen, ohne selbst zur Speise zu werden.
    Aber Gahiji nahm sich vor, weiterhin ein wachsames Auge auf Lokan zu haben. Nur für alle Fälle.
    Er verspürte Sutekhs Söhnen gegenüber eine Art stillen Groll. Sie wussten seiner Ansicht nach das Geschenk ihrer hohen Geburt nicht genügend zu schätzen, die Ehre, die Macht, die Schönheit, die ihnen mitgegeben worden waren. Er selbst war vom Sterblichen zum Seelensammler aufgestiegen. Sein Leib und sein Geist waren geformt und erhöht worden. Doch das war nichts im Vergleich zu dem, womit die vier Sutekh-Söhne begabt worden waren. Sie waren die Frucht seiner Lenden, die Begnadeten, Erwählten. Alle Macht, die Gahiji besaß, war weit geringer als die, über die sie verfügten. Und in einem verborgenen Winkel seines Herzens hasste Gahiji sie dafür.
    Zum Schluss wurde Abasi Abubakar vorgelassen. Sutekhs Haltung war nun verändert. Er war reserviert, zurückhaltend, schweigsam und zeigte keine Spur des freundlichen Entgegenkommens, das er zuvor an den Tag gelegt hatte.
    Der Setnakht-Priester warf sich vor Sutekh zu Boden.
    „Meister“, flüsterte er und streckte die Fingerspitzen nach dem Saum von Sutekhs Gewand aus, wagte es aber nicht, ihn zu berühren. An den zuckenden Schultern war zu erkennen, dass er weinte.
    „Steh auf“, befahl Sutekh, aber der Priester brachte es lediglich zustande, den Kopf zu heben und seinen Herrn anzusehen. Seine Augen glänzten in fanatischer Verehrung.
    Auf Sutekhs kaum merklichen Wink hin trat Gahiji vor, zog den Priester am Arm hoch, sodass er nun aufrecht kniete.

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